Doki Doki Literature Club

Vier süße Anime-Mädchen, mit denen man bei einer Tasse Tee und Törtchen Gedichte liest. Am Ende kann man bestimmt mit einer von ihnen auch noch ausgehen! Was wird in einem Literaturclub groß passieren? Man schreibt Gedichte, beeindruckt die die Clubmitglieder damit, beeinflusst den Geschichtsverlauf ab und zu mit seinen Entscheidungen und hat am Ende das Herz einer der Frauen damit für sich gewonnen. Typisch japanisch eben, aber wem macht so ein Spiel den heutzutage noch Spaß? Naja, Jedem das Seine – würde man denken, wenn da nicht diese Warnhinweise und Genre-Tags mit „Psychological-Horror“ wären…

 

Willkommen im Literaturclub!
Bei Doki Doki Literature Club schlüpft der Spieler zunächst in die Rolle eines japanischen Schülers. Dieser wird von seiner Kindheitsfreundin und Nachbarin „Sayori“ dem Literaturclub vorgestellt und danach irgendwie ungewollt Teil von Diesem. Alles halb so schlimm, denn der Club besteht aus drei weiteren attraktiven weiblichen Charakteren: Der kleinen, fleißigen „Natsuki“; der stillen, schlauen „Yuri“ und der Präsidentin „Monika“. Die Spielmechanik besteht, wie bei vielen japanischen Visual Novels oder Dating Sims, einfach daraus sich durch die Dialoge der Charaktere zu klicken. Manchmal muss der Protagonist Entscheidungen treffen, bei denen er zwischen zwei Möglichkeiten wählen kann. Zudem schreibt der Hauptcharakter in Doki Doki Literature Club jeden Tag selbst ein Gedicht.

Das Gameplay besteht hierbei aber nur aus dem anklicken von Wörtern, von denen der Spieler glaubt sie könnten den Protagonistinnen gefallen. Ein Manko für deutsche Spieler: Das Spiel ist nur auf Englisch verfügbar. Dementsprechend sind gute Englischkenntnisse Grundvoraussetzung, um irgendetwas aus dem Spiel mitnehmen zu können.

All diese Warnhinweise..
..sind berechtigt. Schon zu Anfang weist das Spiel ausdrücklich darauf hin, dass es für Leute, die mit Themen wie Depressionen, Selbstmord oder Ähnlichem nicht umgehen können, nicht geeignet ist. Zu Anfang muss bestätigt werden, dass man mindestens 13 Jahre alt ist, um es spielen zu können. Der Spieler erfährt nicht nur von den Depressionen einer Hauptfigur, sondern muss auch zusehen, wie sie sich selbst aufhängt oder wie eine weitere Spielfigur sich selbst ersticht. Die Altersgrenze von 13 Jahren ist bei den gebotenen Schockmomenten und expliziten Gewaltdarstellungen also äußerst fragwürdig. Wie man sich mit den Inhalten der Dialoge auseinandersetzt, ist zwar von der geistigen Reife abhängig, aber für einen angemessenen Umgang mit den Themen und einem besseren Verständnis der Ereignisse ist das Spiel wohl eher für Spieler ab 16 Jahren geeignet.

Alles nur für den Schockeffekt?
Doki Doki Literature Club genießt sicherlich so viel Aufmerksamkeit, gerade weil es schockierend ist, dass so ein süßes Spiel sehr verstörende Elemente versteckt. Das Spiel übertraf in den ersten 2 Monaten die 1 Mio. Download-Marke. Mittlerweile zählt es über 2 Mio. Downloads und auf Steam genießt es ebenfalls eine „äußerst positive“ Bewertung. Dies heißt jedoch nicht, dass es vollkommen inhaltslos bleibt. Die Themen von Depression und Suizid werden nicht nur für den Schock ausgenutzt, sondern im Spiel näher beleuchtet und ausdiskutiert. Der Spieler ist dazu angehalten sich in die Lage der emotional instabilen Charaktere hineinzuversetzen. Hinzu kommt, dass das Spiel es schafft die vierte Wand sehr beeindruckend zu durchbrechen – das heißt die Charaktere wissen, dass sie nur in einem Spiel sind. Das Faszinierendste an dem Spiel ist wohl, dass der Spieler dazu angehalten ist, sich mit den Dateien im Spielordner selbst zu beschäftigen. Es gibt sowohl Hinweise zu den Charakteren, etwas verstörende Bilder, als auch versteckte Hinweise und Notizen, zu denen es bereits sowohl auf YouTube, als auch in weiteren Foren verschiedenste Theorien gibt. Es werden täglich unterschiedliche Videos mit neuen Theorien oder Reaktionen zu dem Spiel veröffentlicht. Eine der Schlüsselfiguren, Monika, hat gar einen offiziellen Twitteraccount, der nachträglich Hinweise oder Spielreferenzen bietet. Höchstwahrscheinlich ist Doki Doki Literature Club nur der Auftakt zu einem weiterem, viel größerem Spiel des Publishers „Team Salvato“. Durch den direkten Eingriff in die Dateien bekommt das Spiel einen realen Kontext und regt den Spieler zum Recherchieren, Diskutieren und Nachdenken an.

Fazit:
Doki Doki Literature Club ist mit sehr viel Vorsicht zu genießen. Erstens, muss der Spieler sehr viel Englisch lesen, um den Kontext der später verstörenden Elemente zu verstehen. Zweitens, ist der Unterhaltungswert nur geboten, wenn der Spieler sich ein wenig mit Visual Novels auskennt oder zumindest ein grobes Verständnis von Spielen im Allgemeinen hat. Und drittens ist der Umgang mit sensiblen Themen nicht für jeden einfach zu verdauen und wird hier absichtlich nicht beschönigt. Die explizite Gewaltdarstellung, Jumpscares und die Themen, auch wenn sie im Animestil dargestellt sind, sollten nicht unbedingt ohne Aufsicht in Hände von Kindern / Jugendlichen unter 16 Jahren fallen. Dies gilt hier besonders in der Hinsicht, dass das Spiel kostenlos auf Steam verfügbar ist.

Eine Rezension von Anastasia Kudinov // Wintersemester 2017/2018