Freunde

Das Thema Freunde drängt sich beim ersten spielen nicht in den Mittelpunkt. Daher überrascht die folgende Frage im Spiel:

Für wen würden Sie sich entscheiden? Bester Freund oder Partner?
Law: Partner! // Chaos: Freund!

Warum führen Freunde ins Chaos, warum werden Partner gegen Freunde ausgespielt? Um das zu beantworten, lohnt eine nähere Betrachtung des Spiels, denn für Vincent sind Freunde wichtig. Sie sind der Hafen für ihn, ohne dabei viel zu agieren. Sie wirken selber niedergeschlagen. Selten greifen sie durch Ratschläge in das Leben von Vincent ein. Allerdings resultiert daraus auch eine demotivierende Ausstrahlung, die die scheinbar ausweglose Situation, in der sich Vincent befindet, unterstreicht. Anders ist das Verhältnis zu Erica. Sie arbeitet als Thekenkraft in dem Lokal. Im Spiel hakt sie nach, stellt Fragen und gibt Ratschläge. Sie scheint die große Unruhe, die in Vincent herrscht, zu spüren. Zwar redet sie ihm ins Gewissen und beeinflusst damit indirekt den Spieler, dennoch sind die Freunde für den Handlungsstrang nicht entscheidend. In Abgrenzung zu seiner Freundin. Sie ist der Ausgangspunkt für das Unheil, das ihm widerfährt. Das zeigt: Freunde werden als Hafen gesehen, den man verlassen kann. Die Beziehung zum Partner wird als eine engere Bindung interpretiert, die wichtig für die Stabilität des Lebens ist.

Haben Sie mehr Freundinnen oder mehr Freunde?

Freundinnen

Freunde

© Michael Swoboda & Niklas Tröschel // Wintersemester 2017/2018

Beruf und Konkurrenz

Vincent muss bei seinen nächtlichen Klettereien gelegentlich andere Schafe in den Tod stoßen, um erfolgreich den Berg zu erklimmen. Um wieder ein normales Leben führen zu können, muss er somit das Leben anderer zerstören. Allerdings weiß er nicht, welches Leben er zerstört, schließlich sind alle Akteure Schafe. Interessanterweise spiegelt sich diese Moral nicht in den Fragen wieder. Die Karriere wird nicht als Ziel des Lebens definiert. Bei einem ordentlichen Leben wird der Job nur als ein Teil des Lebens begriffen:

Steht Ihr Job bei Ihnen immer an erster Stelle?
Law: Nein // Chaos: Ja

Der Konkurrenzkampf um das Überleben kann als Dystopie auf ein Leben verstanden werden, welches das Ziel hat, der Beste zu sein:

Welches Leben ist besser?
Law: Lang und glanzlos // Chaos: Kurz und reichhaltig

In dem Zusammenhang sind auch die unterschiedlichen Frauentypen zu betrachten. Catherine ist Ausdruck des Verspielten, des Unberechenbaren. Ihre Zöpfe wie bei einem Schulmädchen zusammengeflochten, ihre Art unterwürfig, aber gleichzeitig dominant im Ziel ihn zu verführen.

Katherine wirkt im Gegensatz dazu erwachsener, ihre Kleidung zurückhaltender. Beide können damit als Sinnbild für die beiden divergierenden Lebensentwürfe gesehen werden.

Katherine oder Catherine?

Katherine

Catherine

© Michael Swoboda & Niklas Tröschel // Wintersemester 2017/2018

Klassische Geschlechterrollen?

Geschlechtsbilder in Japan – ein kurzer Blick:

Die Geschlechtsbilder sind in Japan im Gegensatz zum Westen noch sehr traditionell geprägt. Für Frauen gilt immer noch das Bild der genügsamen Hausfrau, die sich zu Hause um die Kinder kümmert und das Essen für den hart arbeitenden Ehemann zubereitet. Frauen können zwar eine Karriere verfolgen, aber nur bis sie verheiratet sind und Kinder haben. Das Bild einer arbeitenden Mutter ist in Japan immer noch sehr ungewöhnlich und gesellschaftlich auch nicht sehr akzeptiert. Männer gelten als die traditionellen ,,Ernährer“ oder ,,Geldeinbringer“ der Familie, d.h. sie sollten in der Lage sein, eine Familie zu ernähren. Außerdem sollten Männer fleißig, verantwortungsvoll, selbstbewusst und entschlossen sein.

Japanische Geschlechtsbilder in CATHERINE?

  • Vincent Brooks: “Why live a life without doing what you want? That’s just a recipe for misery.“

Da Vincent der Hauptcharakter des Spiels ist, kann der Spieler den Charakter von Vincent größtenteils selber bestimmen. Doch einige Charakterzüge bleiben außerhalb der Kontrolle des Spielers. So ist Vincent das Paradebeispiel eines Mannes, der beinahe das exakte Gegenteil des japanischen Idealbildes eines Mannes ist. Er hat zwar einen Beruf, doch der ,,wahre Geldeinbringer“ in seiner Beziehung mit Katherine ist Katherine selber. Vincent ist sehr unentschlossen und hat große Bindungsängste. So gerät er regelrecht in Panik, als Katherine ihm mitteilt das sie schwanger ist. So versucht er ständig sie und sich selbst zu überzeugen, dass die Schwangerschaft noch nicht klar ist, was heißt das er vor seiner Verantwortung fliehen will.

  • Katherine McBride: “No…I usually do the killing in my dreams.“

Katherine scheint auf den ersten Blick das Idealbild einer japanischen Frau zu sein. Sie wünscht sich mit Vincent eine Familie zu gründen. Bei genauerem Hinsehen merkt man aber, dass sie das Gegenteil einer perfekten japanischen Frau ist. So plant sie nach der Geburt des Kindes wieder zu arbeiten und ist generell ein ,,Workaholic“ und stellt ihre Karriere über alles. Sie ist über dem sehr dominant und zielorientiert. So übernimmt sie die Kontrolle der gemeinsamen Finanzen, nachdem sie den Eindruck hat, das sVincent sein Geld verschwendet. 

  • Catherine: “Marriage is just a ‚tradition‘, right?“

Catherine ist das genaue Gegenteil von Katherine McBride, was aber nicht bedeutet, dass sie das Idealbild einer japanischen Frau ist. Sie entspricht, genau so wenig wie Katherine McBride, dem Idealbild, da sie z.B. der Ehe sehr ablehnend gegenüber steht. So bezeichnet sie die Ehe als eine Art antiquierte Tradition, die in der heutigen Gesellschaft nicht mehr wirklich gebraucht wird. Sie wirkt sehr sorg- und verantwortungslos, wobei sie genauso wie Vincent dauerhafte Bindungen verabscheut. Sie ist sehr extrovertiert und versucht ständig verführerisch zu wirken.

  • Nebencharaktere:

Zu den Nebencharakteren ist an sich nicht viel zu erwähnen. Orlando, Jonny und Toby entsprechen alle drei nicht dem Idealbild eines japanischen Mannes. Orlando wurde von seiner Exfrau betrogen und glaubt nicht mehr an Treue. Jonny hat zwar eine Freundin, doch für ihn ist diese Beziehung nichts Dauerhaftes. Der Jüngste unter den Dreien, Toby,  ist naiv und leichtgläubig. Erica ist von allen Charakteren die Person die am ehesten dem Idealbild entspricht, doch am Ende des Spiels erfährt man, das sie früher ein Mann war. D.h. sie hat eine Geschlechtsumwandlung hinter sich und ist somit wohl der kontroverserste Charakter im gesamten Spiel.

Sexismus

Sexismus ist ein Thema, das sich nicht erst seit der #meToo-Debatte in vielen Bereichen unseres Alltags wiederfindet. Ob in diversen Formen von Medien oder in der Realität, sexistische Elemente scheinen schwer umgehbar. Was Sexismus im realen Alltag für Auswirkungen hat, soll an dieser Stelle jedoch weniger die Frage sein. Vielmehr soll klargestellt werden, in welcher Form und Sprache sich Sexismus in Catherine zeigt.

Anfangen wollen wir hierbei bei dem Bild und optischen Eindruck des Spiels. Beginnt man nämlich das Spiel wird der Spieler direkt mit einer sehr freizügigen rothaarigen Dame konfrontiert, die einen an der Bar empfängt und ins Spielgeschehen einführt. Der Ausschnitt des Kleides der Frau zieht sich dabei nicht nur weit hinunter, sondern steht auch stark im Zentrum des Kamerageschehens. Sexistische Elemente dieser Art stellen sich im weiteren Verlauf des Spiels jedoch als keine Seltenheit dar.

(Hier geht’s zum INTRO von Catherine!)

So wird das erste Treffen zwischen dem Hauptcharakter Vincent Brooks und einer entscheidenden Nebenfigur Catherine in einem ebenfalls von Sexismus geprägten Licht präsentiert. Die beiden finden sich hierbei im Bett des Protagonisten wieder. Dabei wird jedoch kein Fokus auf die Gesamt-Komposition des Geschehens gelegt, sondern lediglich Gebrauch gemacht von einer hineingezoomten Ansicht auf die bloßen Brüste von Catherine. Das Limitieren des Frauenbilds auf größtenteils erotische Bereiche des Körpers ist durchaus ein Mittel, welches sich in vielen Punkten des Spiels wiederfindet.

Gelegentlich stößt man jedoch auch auf sexistische Anspielungen in Bezug auf Männer. Und hier soll ebenfalls eine Brücke geschlagen werden von Bild zur Sprache. So sind auch Szenen präsent, die zwei ältere Damen in einem Dialog darstellen. Dieser Dialog wiederum dreht sich lediglich um erotische männliche Züge, die zum Genuss der alten Damen in den Vordergrund gerückt werden. Belanglos werden Männer im Gespräch degradierend als Spielinstrumente vorgeführt. Eine weitere Szene zeigt Vincent und Orlando, einen seiner besten Freunde, in einem Dialog über feste und lockere Liebesbeziehungen. Vincent offenbart Orlando seinen Seitensprung mit Catherine.

Hierbei drückt Vincent aus, dass ihn die Schuldgefühle des Fremdgehens zwar stark bedrücken. Dennoch scheint der Protagonist, sich nicht sicher zu sein, wie es überhaupt zu der ganzen Situation sowie dem vermeintlichen Geschlechtsverkehr gekommen ist. Orlando hingegen versucht nicht, Vincent zu trösten, sondern etwas Gutes in all den Geschehnissen auszumachen. So behauptet dieser, dass solange es sich dabei um ein „süßes Mädchen“ handelt, mit dem Vincent fremdgegangen ist, keinerlei Probleme bestehen. Im Gegenteil, für Orlando handelt es sich hierbei vielleicht sogar um ein „glückliches Missverständnis“.

© Iskender Bajramov // Wintersemester 2017/2018

Japan im Spiel!?

Abbild der japanischen Öffentlichkeit im Spiel

Zu dem realitätsgetreuen Weltbild eines Spiels trägt das Setting wohl am meisten bei. Es macht schließlich einen Unterschied, ob wir uns in einer Fantasiewelt voll mit Feen, Zwergen und Magie befinden, im viktorianischen Zeitalter oder in der Gegenwart. Catherine spielt nicht ohne Grund in einer kontemporären, amerikanischen Großstadt [1]. Das gegenwärtige und realistische Flair entsteht vor allem durch die Szenen, die im Café „Chrono Rabbit“, der Bar „Stray Sheep“, in Vince‘ Wohnung oder im Sushi Restaurant „Kappa Heaven“ stattfinden. Jede Szene, die in einem solchen Lokal von statten geht, projiziert nicht nur eine Verbundenheit mit den Charakteren, oder erinnert an eigene Erfahrungen, sondern verleiht auch den japanischen Touch, der dem Spiel immerwährend unterliegt.

Der Hase mit der Uhr.

Betrachtet er die öffentlichen Schauplätze näher, so mögen dem Spieler einige Konstanten auffallen, die an diesen Orten stetig wiederkehren. Eines der ersten Orte, die wir kennenlernen ist „Chrono Rabbit“ – das Café in dem Vincent Brooks sich ausschließlich mit Katherine trifft. Der Name setzt sich aus dem Wort „Chronograph“ und „Hase“ zusammen, was eine Referenz auf den Hasen aus Alice im Wunderland ist. Der gehetzte Nager, der ständig auf seine Uhr starrt, weil er fürchtet zu spät zu kommen, ist der Auslöser, wie Alice überhaupt ins Wunderland kommt.

Tatsächlich gibt es an der Stelle viele Parallelen zu dem Verhalten von Vince, wenn er im „Chrono Rabbit“ sitzt, aber wir wollen uns auf das Setting an sich konzentrieren.

Der pink-lilane Anstrich ruft einen sehr stereotypen weiblichen Eindruck hervor. Nicht nur, dass selbst die Tassen und Teller Rosa sind, auch das Klientel ist im Durchschnitt jung, stylisch und weiblich. Vince passt, bis auf sein pinkes Shirt, nicht wirklich in diese Umgebung hinein. Oben drein scheint es, als hätte Katherine in den Gesprächen, die dort stattfinden, einen Heimvorteil, denn sie dominiert die Konversationen und lässt Vincent kaum Entscheidungsfreiraum. Jedoch ist nicht zu übersehen, dass sich auch Katherine im „Chrono Rabbit“ nicht zu hundertprozentig zu Hause fühlt. Sie wirkt deutlich älter als die anderen Frauen im Lokal und ihr Kleidungsstil ist bei weitem nicht so Jugendlich, wie die Kulisse. Durch dieses Umfeld wirkt sie etwas konservativer.

Man mag den Wunsch jünger und freier zu sein in Katherines Wahl des Cafés hineininterpretieren. Die Spielthematik bezüglich der Auseinandersetzung mit dem „Erwachsen werden“, sich zu binden und einen geordneten Pfad im Leben zu gehen, reißt in Bezug auf Katherine den japanischen „Arasā“-Diskurs[2] an. Katherine ist dem Druck der Gesellschaft, vor allem dem ihrer Eltern, ausgesetzt, sich auf eine Ehe festlegen zu müssen. Diese Unbehaglichkeit und der innere Konflikt wird weniger durch die Kulisse selbst, als mehr durch den Kontrast zwischen Katherine und des öffentlichen Raumes hervorgerufen.

Ein Himmelreich für Wasserdämonen.

Ein weiterer öffentlicher Ort, den Vincent mit nur einer weiteren Person teilt, ist die Sushi-Bar „Kappa Heaven“. Sie bringt eine japanische Note ins Spiel, denn Restaurants mit Fließband-Sushi sind in Japan – vielmehr als in Amerika – ein üblicher Ort für gutverdienende Geschäftsmänner. Entweder treffen sie sich dort mit Arbeitskollegen, um geschäftliche Kontakte zu knüpfen, die Arbeit zu diskutieren oder einfach ihre Mittagspause zu verbringen. So sehen wir im „Kappa Heaven“ vorwiegend Männer in Anzügen. Ab und zu kommentieren auch Frauen das Geschehen, welche aber eher wie mitgebrachte Dates oder Partnerinnen in der Männerdomäne wirken. Die Sushibar scheint insofern authentisch, als dass sie die Innenausstattung und das Essen, sowie Trinken realitätsgetreu darstellt.

Der Name der Bar setzt sich aus „Kappa“ und „Himmelsreich“ zusammen. „Kappa“ sind japanische Mythologiewesen, welche eine Kreuzung von Mensch und Frosch sein könnten. Sie stellen eine Art Flussgottheit dar, sind in diesem Zusammenhang aber einfach als Zeichen für Japan zu verstehen. „Kappa“ werden nämlich heutzutage oft als Symbol für das Land genutzt.

Weil sie Arbeitskollegen sind, verbringt Vincent seine Zeit im „Kappa Heaven“ ausschließlich mit Orlando, der ebenfalls unter Albträumen leidet. Dementsprechend können sie sich über diese auslassen, das aktuelle Tagesgeschehen diskutieren oder über Vinces Liebesleben philosophieren. Ein Gefühl von Gelassenheit begleitet ihre Konversationen. Vince dominiert – im Gegensatz zum „Chrono Rabbit“ – die Unterhaltungen meist und es wird deutlich, dass Orlando ihm nur als Reflektion dient, selbst aber keinen Charakter mit Tiefe bildet. Auch die Kommentare der Gäste, die hin- und wieder eingeworfen werden, fügen sich gut in die Gesprächsdynamik ein. Die allgemeine Stimmung wirkt nie angespannt, denn obwohl weder Vince noch Orlando in Anzüge gekleidet sind, wirken sie der Kulisse nicht gänzlich fremd. Sie fallen nicht sonderlich auf, gehören aber auch nicht genuin in die Welt der Arbeitergesellschaft.

Das verirrte Schaf.

Zuletzt bleibt die Bar „Stray Sheep“, in der die meiste Handlung des Spiels stattfindet. „Stray Sheep“ weist mit dem Namen nicht nur auf die Schafe, die in Vincents Alpträumen vorkommen hin, sondern ist auch das einzige Lokal, das spielbar ist, in dem der Hauptcharakter frei bewegt werden kann. Die Bar ist nach amerikanischem Vorbild gestaltet: An den Wänden befinden sich nostalgische Filmposter, eine Jukebox kann bedient werden und auch die Theke ist im westlichen Stil gehalten. Allerdings lässt sich vielleicht über die Arcade-Automaten, sowie die Option Sake zu trinken, streiten, weil Beides eher in japanischen als amerikanischen Bars zu finden wäre. Um beim Sake zu bleiben: Die Bar ist ein Ort für Vince und seine Freunde, um sich zu unterhalten oder zu entspannen. Hier kann Alkohol getrunken oder geraucht werden[3]  und der Spieler erhält als Zusatz kleine Hintergrundgeschichten zu jedem Getränk, das der Protagonist leertrinkt. 

Hier kann Vincent auf Augenhöhe mit seinen Freunden Orlando, Johnny und Toby reden. In der Bar gibt es kein bestimmtes Klientel – von Zwillingen im hohen Alter, über Polizisten bis hin zu Reportern gehen alle ein und aus. In dieses Setting passt Vince unumstritten hinein. Das „Stray Sheep“ bildet die Welt jener Erwachsenen ab, die ohne Verantwortung oder Zwang leben. Eine Welt in der Vince nicht beurteilt oder belehrt wird. Es ist also kein Zufall, dass er Catherine hier trifft, dort wo er sich am wohlsten zu fühlen scheint.

Eine originelle Tierkombination.

Tatsächlich bildet die Barszene in Japan einen Ort des Rückzugs oder vielleicht auch der Flucht vom Alltag. Beobachtet man die Orte an denen die Handlungen stattfinden, so fällt auf, dass diese sehr selten in der Wohnung von Vince und stattdessen sehr oft im öffentlichen Raum stattfinden.

Mittags sehen wir Vincent und Orlando im „Kappa Heaven“; wenn Vince seine Beziehung beredet geschieht dies im „Chrono Rabbit“ und die Freizeit findet abends im „Stray Sheep“ statt. Die Wohnung ist lediglich ein grauer Ort, der zum Schlafen oder wahlweise zum Fremdgehen dient. Grundsätzlich trägt die Wohnung eher eine Stimmung der Angst mit sich, obwohl sie ein Gefühl der Sicherheit oder Geborgenheit bieten könnte. Dies ist durchaus mit dem Großstadtleben in Tokyo zu vergleichen, wo kleine Wohnungen aufgrund des engen Lebensraums normal sind und das Alltagsleben tatsächlich in öffentlichen Räumen wie Cafés, Bars und Restaurants stattfindet[4].

Catherine stellt die Probleme, Sorgen und Nöte von Vincent sehr gekonnt durch die öffentlichen Kulissen dar. Der Spieler bekommt ein Gefühl für das Universum, in dem die Handlung stattfindet. Durch die Wahl der Lokale, wird schnell der gesellschaftliche Status der Hauptcharaktere und ihre Bindung zueinander deutlich. Zudem werden die Figuren entweder durch die Settings oder durch den Kontrast zu Diesen näher charakterisiert.

© Anastasia Kudinov & Sidonie von Ploetz // Wintersemester 2017/2018

 

Fußnoten:
[1] Oder zumindest einer japanischen Version einer amerikanischen Großstadt. Zwar hat Katsura Hashino die USA bereits besucht, aber generell bescheibt er die Settings im Spiel, als etwas, wie er sich Amerika und den Lebensstil dort
vorstellen würde. Im Anbetracht der Tatsache, dass viele Trends der Moderne aus Nordamerika kommen und „der Westen“ in Japan generell mit „Modernem“ assoziiert wird, kann man dem Spielsetting schon vorwerfen, dass es eher die Vorstellung einer amerikanischen Großstadt ist, als eine exakte Abbildung davon (vgl. Interview mit Katsura Hashino).

[2] Arasā ist ein dem Englischen „Over Thirty“ (also über 30) angelehnter Begriff, der japanische, unverheiratete Frauen, die über 30 Jahre alt sind, beschreibt. Der Diskurs kam Mitte-Ende der 2000er auf und wird auch aktuell
noch im japanischen TV in Dramen oder Filmen thematisiert. Die Problematik liegt im etablierten Familienbild und Arbeitsmodell, das in Japan allmählich aus zu laufen scheint. Immer mehr Frauen bleiben (gewollt und ungewollt) nach ihren Dreißigern Single und bilden keine Familie, was der Politik aufgrund der immer weiter sinkenden Demographie Sorgen macht.

[3] Rauchen in geschlossenen Räumen, vor allem in Bars ist normal in Japan. In den meisten Staaten Amerikas dagegen ist das Rauchen in Restaurants, Bars etc. verboten. Hier wird deutlich, dass Katsura sich entweder an der japanischen Öffentlichkeit orientiert hat oder aber den amerikanischen „Free-Spirit“ beibehalten wollte.

[4] Natürlich bildet auch der Arbeitsplatz einen wichtigen Aspekt, wird aber hier nicht thematisiert, weil er für das Spiel irrelevant ist.

Typisch Japan!?

Darstellung von typischen Charaktereigenschaften in der japanischen Populärkultur

Catherine ist ein Spiel, dass mit seinem ungewöhnlichen Setting, abgedrehten Charakteren und einem innovativen Gameplay zu überzeugen weiß. Viele westliche Spiele würden diese ‚Abgedrehtheit‘ und Ungewöhnlichkeit wahrscheinlich als „typisch japanisch“ bezeichnen. Aber was genau lässt uns ein Spiel wie Catherine „japanisch“ erscheinen? Die Antwort liegt bei weitem tiefer, als nur im Animationsstil:

Datenbanktiere?

Azuma Hiroki beschreibt in seinem Buch „Otaku: Japan’s Database Animals“, dass japanische Medien wie Anime, Manga oder Spiele, nicht mehr auf eine Geschichte oder vermittelte Werte ausgelegt sind, sondern sich grundsätzlich auf bestimmte Eigenschaften von Charakteren in diesen Medien beschränken. Bezogen auf Catherine stände beispielsweise nicht die Geschichte des Spiels im Vordergrund, sondern, wie die Charaktere dargestellt sind. Was für Eigenschaften haben sie? Tragen sie Katzenöhrchen? Haben sie Schuluniformen an? Kommt ein bestimmter Charaktertyp im Spiel vor, wie zum Beispiel eine Tsundere[1] oder eine Kuudere[2]? Hiroki erklärt diese Werteverschiebung hauptsächlich durch die Modernisierung und Konsumkultur in Japan.[3] Mit diesem Leitfaden lohnt sich ein näherer Blick auf die wichtigsten Figuren von Catherine, um mehr über unsere Auffassung der Charaktere herauszufinden.[4]

Katherine McBride:

Katherine ist die Verlobte des Hauptcharakters Vincent Brooks. Sie hat kein allzu auffälliges Charakterdesign, keine Eigenschaften, die sie aus der Welt von Catherine besonders hervorheben könnten und nichts, was sie unmenschlich oder karikativ erscheinen lässt. Sie hat hellbraune Haare, eine sehr attraktive Figur, einen modischen, aber nicht allzu auffälligen Kleidungsstil und trägt eine Brille. Wenn man sich mit der japanischen Modekultur beschäftigt, fällt außerdem auf, dass ihr Kleidungsstil sehr westlich orientiert ist. Catherines Charakterdesigner Soejima Shigenori erklärt, dass er für das Design oft selbst in den Cafés von Tokyo saß, die Menschen um ihn herum beobachtete oder Modemagazine las. Er beschreibt, dass Kleidung oft ein Mittel dafür ist, einen Eindruck nach Außen hin vermitteln zu wollten. Den Eindruck, der bei Katherine entsteht, ist ein sehr konservativer, erwachsener und determinierter. Soejima beschreibt Katherine zudem als einen Pol der Vernunft und der Stabilität.

Der Kontrast zu dem Protagonisten Vince, der insgesamt sehr unentschlossen, nihilistisch aber gleichzeitig freigeistig rüberkommt, lässt Katherine für den ein oder anderen Zuschauer verklemmt und nicht allzu liebenswert wirken. Für andere Spieler vermittelt sie allerdings die Traumbraut – denn Ordnung, Kontrolle, Initiative und gleichzeitig ein attraktives Äußeres[5] erzeugen vor allem auf konservativer Ebene der japanischen Gesellschaft das perfekte Bild einer Ehefrau.

In Bezug auf Hiroki’s These ruft Katherine keine direkte Bindung zum Konsumenten hervor: Sie hat weder markante äußerliche noch charakteristische Eigenschaften, die sie hervorstechen lassen.[6] Ihre Rolle im Spiel und ihr Beitrag zur Handlung ist viel wichtiger als ihre Charakterdarstellung, was immens der These von Hiroki widerspricht. Übrigens einer der Aspekte, die stark für das Spiel sprechen, denn es bricht oftmals absichtlich die Stereotype der japanischen Popkultur und konzentriert sich vielmehr auf einen Realitätsbezug und die Herausarbeitung von realen Themen und Problemen der Gesellschaft.

Catherine:

Catherine ist das mysteriöse Mädchen, mit dem Vince nicht ganz beabsichtigt fremdgeht. Sie hat blonde Haare, markante Zöpfe, die mehr an Schafshörner erinnern, als an eine Frisur und ein sehr, sehr knappes, weißes Outfit. Sie ist das Ebenbild eines jungen, modischen Mädchens und steht absichtlich im Kontrast zum konservativen Familienbild. Solche jungen Frauen findet man oft in japanischen Modemagazinen: gefärbtes blondes Haar und helles Makeup erinnert an den Gyaru-Stil, welcher eine in den 90er Jahren entstandene Trendbewegung von Jugendlichen, die das etablierte Familien- und Berufsbild aktiv ablehnen, beschreibt.

Je nach Route, die der Spieler wählt, erfährt man kaum bis sehr wenig über Catherines Charakter oder ihre Hintergrundgeschichte. Die einzigen Charaktereigenschaften, die man ihr zuordnen könnte wären: sehr lebendig, jung, unabhängig und spaß-liebend. Catherine erinnert zudem an Animecharaktere, weil sie sich unreal und karikativ verhält. Ihre Haare sind ein markantes Merkmal und ihr Auftreten und Erscheinungsbild deuten darauf hin, dass sie mehr eine Männerphantasie darstellt, als ein realistisches Frauenbild. Dies wird zudem durch die freizügigen Bilder, die sie Vince zukommen lässt, verstärkt. (Spoiler!) Und auch die Tatsache, dass sie eine Succubus ist, bestärkt die Realitätsentfremdung. Dies erfährt der Spieler aber nur, wenn er sich für das Catherine Ende entscheidet. Nur in diesem Ende werden auch die Beweggründe und der Hintergrund von Catherines Rolle im Spiel deutlich. (/Spoiler)

Catherine passt also rundum in das Schema von Hiroki. Sie hat markante äußere Eigenschaften und fungiert nicht nur als Name, sondern auch oft als Werbefigur des Spiels. Dennoch trägt sie in erster Linie zu der Geschichte bei, statt nur als einzelnes Element im Mittelpunkt zu stehen. Außerdem hat Catherine zumindest in einem Spielweg eine dreidimensionale Persönlichkeit, die im Spieluniversum ihrer eigenen Intention und Logik folgt.

Vincent Brooks:

Vincent Brooks, abgekürzt als „Vince“, ist der Protagonist von Catherine. Er ist kein typischer Held, er besitzt keinerlei Superkräfte, nicht einmal eine muskelbepackte Figur oder einen moralischen Kompass. Vince ist ein Typ mit einer Dauerwelle, einem relativ durchschnittlichen Kleidungsstil, keinen Karriereambitionen oder viel Geld. Er bewegt sich außerdem in einer sehr gebückten Körperhaltung, durch die er nicht gerade vor Selbstbewusstsein strotzt. Vince ist das, was man in Japan als „Grasfressermann“ bezeichnet. Er hat zwar eine Verlobte, aber keinerlei Intentionen eine Familie aufzubauen. Ganz im Gegenteil, er hat Angst davor eine feste Bindung in Form von Heirat einzugehen. Sein äußeres Erscheinungsbild ist durch seine Dauerwellen bzw. afroartigen Haare, seiner gebückten Haltung und dem Kissen plus den Boxershorts, die ihn in seinen Albträumen begleiten, gekennzeichnet. All diese Eigenschaften sind zwar markant, aber nicht allzu übertrieben. Vincent wirkt wie ein Videospielprotagonist, aber durch die Geschichte doch auch wie ein realer Mensch. Laut Soejima ist er nur dank der Einwände der weiblichen Mitarbeiterinnen des Atlus Teams sympathischer als anfänglich geplant.

So ist der Hauptcharakter nach Hiroki schon mit Merkmalen ausgestattet und beinhaltet keinen moralischen Kompass, an dem sich der Spieler orientieren sollte, aber seine Geschichte behandelt grundsätzlich die Konflikte, die durch seine Beziehungen und das „Erwachsen werden“ entstehen. Diese werden nicht durch einen komplexen Handlungsablauf, sondern durch die Erfahrungen und Gefühle, die Vince durchmacht, dargestellt.

Catherine schafft es die Charaktereigenschaften miteinzubeziehen, die die Hauptfiguren markant aussehen lassen und damit einprägsam machen. Es stellt aber die Geschichte deutlich in den Vordergrund. Das Spiel ist somit an Konsumenten japanischer Popkultur gerichtet, ohne dass es sich exakt an die karikativen Stereotype hält, sondern sie nur anreißt. Die Charaktere bleiben insgesamt real und nachvollziehbar. In der Hoffnung einen Transfereffekt zu erzielen und dem Spieler eine Erkenntnis mit in die Realität zu geben[7], schafft Catherine durch die Handlungen, die Geschichte und die Charaktere einen Kontext, oder vielmehr eine Welt, die der realen Welt sehr ähnelt.[8]

© Anastasia Kudinov & Sidonie von Ploetz // Wintersemester 2017/2018

 

Fußnoten:
[1] Tsundere: Wohl die bekannteste Darstellung unter japanischer Popkultur. Setzt sich aus den japanischen Worten „tsuntsun“ (schlecht gelaunt) und „deredere“ (flirtend, verliebt) zusammen und beschreibt einen meist weiblichen Charaktertyp in Spielen oder Anime, die der Person, an der sie eigentlich romantisches Interesse hat, sehr unsympathisch oder zickig gegenübersteht. Ihre Zuneigung zeigt sie meist indirekt oder nur wenn die zwei Charaktere unter sich sind.

[2] Kuudere: Setzt sich aus den japanischen Worten „kuuru“ (kalt) und „deredere“ (flirtend, verliebt) zusammen. Kuuderes sind ebenfalls meist weibliche Charaktere, die keinerlei Emotionen nach Außen zeigen. Allen charakteren gegenüber wirken sie schon fast autistisch, bis der Hauptcharakter oder ihr Love-Interest in Gefahr kommt. Erst dann offenbaren sie, dass sie doch Gefühle für jemanden hegen und generell sehr einfühlsam sind.

[3] Ob seine These stichfest ist, bleibt fraglich, weil sein Buch sehr theoretisch aufgebaut ist. Seine Ausführungen lassen sich trotzdem durchaus auf Charaktere aus der japanischen Populärkultur anwenden.

[4] Laut eigener Aussage des Charakterdesigners Soejima sind die Nebencharaktere zu eindimensional, weshalb wir hauptsächlich auf die Eigenschaften der Hauptcharaktere achten werden.

[5] Es mag stereotyp klingen, aber gerade die dunkle Haarfarbe vor allem im Konrast zu Catherine berwirkt nochmal ein „ideales Schönheitsbild“ von Katherine. Ich weiß nicht genau was es mit schwarzen Haaren auf sich hat (vielleicht Reinheit der Ethnie), aber Mädchen oder Frauen mit schwarzen, langen Haaren und weißer Haut sind in Japan ein hervorgehobenes Image der idealen Schönheit einer Frau.

[6] Weshalb für die Vermarktung des Spiels auch Catherine eindeutig im Mittelpunkt steht.

[7]  Was man gerade beim Spielen im Seminar sehr gut sehen konnte. Bei den Entscheidungen im Beichtstuhl zum Beispiel wurde fleißig diskutiert. Oft zwar eher über die Sinnhaftigkeit der vorgegebenen Auswahl („Hä das macht gar keinen Sinn, dass es ‚gut‘ ist, wenn man es bevorzugt auch mal Zeit für sich zu haben“), dennoch fand ein realer Dialog und eindeutig auch ein Transfereffekt in die Wirklichkeit statt.

[8] vgl. Interview mit dem Direktor Katsura Hashino https://www.youtube.com/watch?v=6B8z8LOQxxg

Geschlechterrollen in Japan und in Catherine

Zwischen Realität und Mythos.

Wenn man an japanische Geschlechterrollen denkt und nicht gerade japanisch studiert oder japanischer Nationalität ist, gibt es viele diffuse Assoziationen zwischen Realität und Mythos. Viele mögen an Geishas denken oder Samurai, andere an die klassischen Rollen in Animes, wie süße kleine Mädchen und androgyne Jungen. Oder an den klassischen hart arbeitenden japanischen Mann und die zierliche, schüchterne japanische Frau. Um etwas Licht ins Dunkel der japanischen Geschlechterverhältnisse zu bringen, ist ein kurzer Blick in die Vergangenheit Japans notwendig, bevor wir uns der Gegenwart zuwenden und entscheiden, ob Catherines Charaktere sich in der Tradition oder Moderne bewegen.

Von Konfuzianismus zum Zweiten Weltkrieg.

Die japanische Geschlechtertradition ist geprägt vom Konfuzianismus und konfuzianischen Idealen. Im Zentrum steht nicht der Einzelne , sondern die Gemeinschaft (z.B. die Familie, das Dorf oder die Provinz). Alles hat seine Ordnung und seinen Platz. Der Haushalt bzw. die Familie bilden das Fundament. Loyalität; Anstand, Respekt und Sitten hatten eine große Bedeutung in der patriarchal geprägten Gesellschaft.[1] Ein Mann musste stark, aggressiv, dominant, ehrgeizig und rational sein – alles was ein Oberhaupt an Charaktereigenschaften braucht. Zusätzlich spielte die Ergebenheit und Loyalität zum Kaiser eine große Rolle. Auch die berühmten Samurai waren an den Kodex des Bushido (jap. Weg des Kriegers) gebunden. Neben den oben genannten männlichen Idealen, kam die Bildung in den schönen Künsten dazu und natürlich das Kampfgeschick hinzu.[2] Von Frauen wurde erwartet zu heiraten (meist eine arrangierte Ehe), Kinder zu bekommen und das Haus zu hüten, typischerweise in einem Mehrgenerationenhaushalt mit bis zu drei Generationen unter einem Dach.

Bis ins späte 19. Jahrhundert existierten Frauen gesetzlich nicht wirklich: sie konnten kein Eigentum besitzen und mussten sich dem Mann in jeglicher Weise unterordnen. Diese Ideale verstärkten sich vor dem Zweiten Weltkrieg. Neben der Loyalität wurde die Ausübung der Geschlechterrollen eine heilige Pflicht.Führende Persönlichkeiten und Höhergestellte waren moralisch überlegen und etwa wie bei uns war der Adel unantastbar in jeglicher Hinsicht. Die Ideale des Konfuzianismus und des Bushido lockerten sich graduell in der japanischen Gesellschaft. Der markanteste Sprung fand nach dem Zweiten Weltkrieg statt. Mit dem Civil Code von 1947 bekamen Frauen das Recht auf Eigentum, ein Familienerbe, selbstbestimmt zu heiraten und sich scheiden zu lassen, zu wählen und die rechtliche Handhabe als ein Elternteil.[3]

Männer und Frauen – ein Rollenmodell zwischen Moderne und Tradition.

Seine Wurzeln merkt man dem modernen Japan bis heute an. Für einen Mann ist es üblich, dass er die Firma als oberste Priorität hat. Er widmet sich seiner Arbeit und setzt die Ziele seines Arbeitgebers über seine eigenen. Für Frauen ist das Gegenteil der Fall, denn sobald sie schwanger sind, wird erwartet, dass sie ihren Job kündigen und sich komplett dem Aufziehen des Kindes und der Instandhaltung des Haushalts widmen.[3]

Das Glück der Frauen liegt immer noch in der Ehe. Eine Heirat sollte am besten zwischen 22 und 27 Jahren stattfinden. Früher war es nicht ungewöhnlich, dass Frauen, die nach 27 noch unverheiratet waren, gesellschaftlich gebrandmarkt wurden. Doch mittlerweile lösen sich die festen Strukturen und spätere Hochzeiten sind akzeptierter. Auch Frauen, die trotz Kindern arbeiten, sind keine Seltenheit mehr. Auch wenn sie meistens eher in Teilzeitarbeitsverhältnissen stehen als in Karrierejobs. Weiterhin ist das Ausleben von Weiblichkeit noch hauptsächlich mit Mutterschaft verknüpft und Männlichkeit mit dem Verfolgen der Karriere. Von diesen Männern wird erwartet, alleine die Last der Finanzierung der Familie zu schultern, selbst wenn sie gerne die Erziehung der Kinder übernehmen würden. Der Hausmann ist kein akzeptierter Lebensentwurf in der japanischen Gesellschaft.[4]

Mittlerweile gibt es sowohl Männer, als auch Frauen, die sich bewusst gegen die traditionell vorgeschriebenen Rollen wenden. Direkten Einfluss darauf hatte das Platzen der Spekulationsblase in den Neunzigern, das die Wirtschaftslandschaft Japans komplett veränderte. Eine der vorherrschenden Prinzipien der japanischen Wirtschaft, die des sarariiman(Geschäftsmanns), begann zu bröckeln. Als sarariiman bezeichnet man Männer, die nach dem Universitätsabschluss bei einer Firma ein Leben lang arbeiten, mit der schon erwähnten Hingabe und Loyalität. Die kommenden Jahrzehnte werden in Japan als Ushinawareta Nijūnen (失われた20 年, „Zwei verlorene Dekaden“) bezeichnet, wegen der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung seit 1990.

Von Grasfressermännern, Parasite Singles und Hikikomori.

Aus diesen Entwicklungen ging ein in Japan auch medial ein sehr großes Thema hervor: der sogenannte „Pflanzenfressermann“. Im japanischen Sōshoku danshi (wörtlich übersetzt grasessende Jungs) genannt, bezeichnet Männer, die entgegen der traditionellen Werte leben. Charakteristisch für diese ist, dass sie weder besonders aggressiv das andere Geschlecht verfolgen, noch den beruflichen und gesellschaftlichen Status der vorherigen Generation. Sie sind oft an eher „unmännlichen“ Dingen interessiert, wie Mode, Backen und Stickerei. Trotzdem geben sie nicht viel Geld aus. In der internationalen Presse wird gerne der Faktor nach vorne gestellt, dass sie keinen Sex und Beziehungen wollen. Jedoch verhält es sich eher so, dass sie nicht bestimmt sind von dem Gedanken, eine Frau zu finden und eine Familie zu gründen. Sie sind als Singles und platonische Freunde (in Japan ist die Existenz von Freundschaft zwischen Frauen und Männern noch nicht ganz verifiziert ) von Frauen genauso glücklich. Was in einer Gesellschaft, in der Geburtszahlen rückläufig sind, Überalterung ein massives Problem ist und die Immigration, um es diplomatisch auszudrücken, nicht sonderlich gefordert wird, die Grasfressermänner zu einem kontrovers diskutierten Thema macht.

Weitere Entwicklungen sind, wenn auch für Catherine weniger relevant, nichtsdestotrotz interessant, einmal die sogenannten Parasite Singles. Ein Begriff der junge Menschen bezeichnet, vor allem junge Frauen, die finanziell abhängig vom Elternhaus, in eben diesem, ohne Ambition jemals auszuziehen, verbleiben.
Das Geld, das sie dadurch sparen, wird für hedonistische Zwecke verwendet, wie Lifestyle, Mode und Reisen. Interessant ist zudem, dass die Zahl bei den über
dreißigjährigen Parasite Singles, die noch nie eine Beziehung oder sexuellen Kontakt mit
dem anderen Geschlecht hatten, wächst.

Zusätzlich erhält das Phänomen der Hikikomori (jap. ひきこもり: das Haus nicht verlassen) regen Zuwachs.  Das japanische Gesundheitsministerium gab 2006 als Definition für Hikikomori folgende Charakteristika bekannt: eine Person die sich weigert, das Elternhaus zu verlassen, und sich für mindestens sechs Monate aus der Familie und der Gesellschaft zurückzieht. Es sind auch Fälle bekannt, in denen Hikikomori für Jahre oder sogar Jahrzehnte in dieser selbst gewählten Isolation blieben.

Parallelen zu den Charakteren von Catherine

Natürlich spiegeln sich diese gesellschaftlichen Entwicklungen in der Popkultur Japans wieder. Ich könnte euch jetzt eine Aufzählung liefern, in der die oben angeschnittenen Themen in verschiedenen Medien wie Manga, Anime, Games und auch Dorama aufgegriffen und versponnen werden. Da aber der Fokus hier auf Catherine liegt, wenden wir uns nun endlich den Charakteren zu.

Es ist ziemlich offensichtlich, dass der Hauptcharakter Vincent Brooks zumindest Anleihen der ‚Pflanzenfressermanncharakteristika‘ hat. Er ist weder sonderlich ambitioniert in seinem Job noch in seiner Beziehung. Er hat einen Sinn für Mode und verbringt seine Zeit eher mit hedonistischen Aktivitäten, als mit seiner Karriere. Die traditionellen Werte von Hochzeit, Karriere und Familie haben zwar eine Bedeutung für ihn, aber es scheinen keine zeitnahen, aktiven Ziele in seinem Leben zu sein. Es macht eher den Eindruck, dass ihn dabei die Verpflichtung und Verantwortung ängstigt und abschreckt. Er ist alles andere als offensiv mit den Frauen in seinem Leben, er ist der passive Part bei seinem Seitensprung mit Catherine, aber auch in seiner Beziehung zu der anderen Katherine gibt es kaum eine aktive Teilnahme am Geschehen.

Im Gegensatz dazu steht seine Freundin Katherine McBride. Katherine ist ein Abbild einer modernen Frau zwischen den Werten und Erwartungen der Vergangenheit und Gegenwart. Sie steht aktiv im Leben, arbeitet in einem guten Job, ist karrieregetrieben und hat Ambitionen.

Trotzdem ist sie beeinflusst und vielleicht auch ein wenig zerrissen von den traditionellen Werten der Heirat und der Familie. Eine Heirat mit Vince ist ein zentrales Leitmotiv für Sie. Als Untermalung ihres eigenen Wunsches, aber auch als eindeutiger Hinweis auf ihre traditionellen Wurzeln, erwähnt sie in einem Gespräch mit Vince im „Chrono Rabbit“, dass ihre Familie Erwartungen in Richtung Heirat und Kinderkriegen an die beiden hat. Auch als Sie andeutet, schwanger zu sein, ist es nicht wirklich der Fakt der Schwangerschaft, der sie aus dem Konzept bringt, sondern Vincents passive, fast negative Reaktion. Dementsprechend ist zu folgern, dass sie sich ein Kind in Zukunft wünscht. Wie ihre Vorstellungen nach der Geburt aussehen, kann nur spekuliert werden.

Last but not least ist die junge Catherine. Sie steht im Kontrast zu den vorherigen beiden Charakteren. Ich bin fast versucht zu behaupten, dass sie eher eine Manifestation aus der japanischen Popkultur und männlichen Phantasien ist, als eine wirkliche Frau, die eine gesellschaftliche oder traditionelle Grundlage hat. Sie besitzt die typischen Charakteristika für junge Frauen diverser (hauptsächlich an ein männliches Publikum gerichteter) Genres der Manga und Hentai-Szene: Anfang zwanzig (oder auch gerne darunter), offensiv und sehr sexualisiert.  Catherines Kleidungstil ist mehr Lingerie als Abendgarderobe und ihr Verhalten ist vor allem darauf konzentriert Vincent zu verführen. Jedoch gibt es ein paar Anzeichen, die sie eindeutig als moderne Frau frei von traditionellen Rollenbildern deklarieren. Nicht nur einmal bildet sie den Gegenpol zu Katherine: Heirat hat keine Bedeutung für sie, sie möchte nicht gebunden sein, ihr reicht es eine gute Zeit zu haben. Sie ist nicht sonderlich interessiert an Arbeit und Status, sie versteht die Notwendigkeit, aber alles andere darüber hinaus wie Ambitionen und Überstunden liegen fern ihrer Welt. Sie wertet Vincent im Gegensatz zu ihrer Rivalin Katherine nicht wegen seiner Karriere oder fehlenden Ambitionen ab. Im Gegenteil, sie ermutigt ihn und versucht ihn zum Schwänzen zu verführen.

(Spoiler!) Prinzipiell wäre aus Gründen der Ehrlichkeit anzufügen, dass solche Schlussfolgerungen schon alleine in Frage zu stellen sind, da ihre wahre Identität, die eines Succubus ist. Dessen Mission es beinhaltet, die Welt von betrügenden Männern mit Hilfe eines Fluchs zu reinigen. Wer weiß schon, welche Geschlechtervorbilder Kreaturen der Hölle haben? (/Spoiler) Spaß beiseite, der Konsens, der hier untersuchten Charaktere ist, dass ihnen mehrere Facetten der Entwicklungen der japanischen Gesellschaft und dem Wandel ihrer Rollenbilder als Inspiration zugrunde liegen. Ob das nun wirklich ein bewusster Vorgang des Entwicklerstudio Atlus war, oder eine unbewusste Projektion, wagt die Autorin dieses Texts nicht zu beurteilen.

© Anastasia Kudinov & Sidonie von Ploetz // Wintersemester 2017/2018

 

Quellen:                                                                                                                                                     
[1] Slote, W. & De Vos, G. (1998). A Japanese Legacy of Confucian Thought. Confucians and the Family. Ebook.

[2] Brown, R. (2012). Yasuoka Masahiro’s ‘New Discourse on Bushido Philosophy’: Cultivating the Samurai Spirit and Men of Character for Imperial Japan. Social Science Japan Journal.

[3]  North, S. (2009). Negotiating What’s ‘Natural’: Persistent Domestic Gender Role Inequality in Japan. Social Science Japan Journal.

[4]  Sugihara, Y. & Katsurada, E. (2002). Gender Role Development in Japanese Culture: Diminishing Gender Role Differences in a Contemporary Society.

I. Albtraumlevel

Der elementare Bestandteil von Catherine ist das Lösen von Puzzles. In jeder Nacht erlebt Vincent einen Albtraum und muss in mehreren Leveln einen Turm hochklettern, um dann im letzten Level einem Boss zu entkommen. Er trägt nur eine Unterhose und hält ein Kissen in der Hand. Zu seiner Verwunderung sind ihm Hörner auf seinem Kopf gewachsen.

Jeder Turm besteht aus unterschiedlichen Blöcken. Vincent kann diese Blöcke verschieben, um sich so den Weg mithilfe verschiedener Techniken, die er gelernt hat, nach oben zu bahnen. Jedoch muss er darauf achten, dass die Blöcke nicht frei in der Luft schweben. Jeder Block muss immer mit der Kante einen anderen Block berühren, sonst fällt er runter. Außerdem kann er sich an Blöcken runter hängen lassen und sich an der Kante entlang hangeln.

Vincent kann sich beim Erklimmen nicht viel Zeit lassen, denn der Turm fällt langsam auseinander in die Tiefe des Abgrunds. Mit der Select- bzw. Back-Taste kann er gemachte Züge auf den unteren drei Schwierigkeitsgraden rückgängig machen. Auf seinen Weg nach oben begegnen ihm Schafe, die anscheinend ein Gegenstück in der realen Welt haben. Jedoch blockieren sie ihm öfters den Weg und er muss sie mit dem Kissen runterhauen.

Falls er selbst mal runterfällt, bedeutet das noch lange nicht sein Aus. Solange er noch genug Extraleben in Form von Kissen hat, kann das Level nochmal von vorne beginnen oder von einem von ihm aktivierten Checkpoint. Falls er ohne Extraleben stirbt gilt es nochmal vom letzten Speicherpunkt anzufangen.

Aber nicht nur der Abgrund ist tödlich für ihn, sondern auch Elemente im Level können ihn Schwierigkeiten bereiten. Allem voran die Fallenblöcke aus denen Stachel austreten, sobald Vincent sie betritt, sorgen für einen sofortigen Tod, wenn er nicht schnell genug drüber läuft.

Es gibt noch viele andere Blocktypen, die Vincent seinen Albtraum verschlimmern. Neben den weißen Blöcken gibt es auch dunkele Blöcke, die sich schwerer verschieben lassen. Dunkele Blöcke mit einem unheimlichen Gesicht drauf können gar nicht verschoben werden. Daneben gibt es auch noch brüchige Blöcke, die nach mehrmaligem Betreten kaputtgehen, oder auch Bombenblöcke, die nach kurzer Zeit explodieren und umliegende Blöcke beschädigen, sobald Vincent drauftritt.

Einige Blöcke sind für Vincent ganz hilfreich, wie z.B. der Sprungblock, mit dem Vincent einen Teil des Turmes überspringen kann. Je weiter man im Spiel voranschreitet, desto mehr Blocktypen trifft Vincent an. Vincent kann auch Blöcke selbst platzieren. Wenn er in seinem Item-Slot einen Block trägt, kann Vincent diesen jederzeit platzieren.

Aber auch andere Items können Vincent aus der Patsche helfen. Wie z.B. die Bibel, mit der Vincent umliegende Schafe, die ihn behindern, mit einem Blitz töten kann. Eine Glocke kann alle speziellen Blöcke in normale Blöcke umwandeln. Diese Items findet man in den Levels verteilt. Auch Extraleben kann man dort finden. Mit dem Geld, das man im Level sammeln kann, kann Vincent sich auch Items später auf dem Podest kaufen.

Schließlich ist Vincent angekommen. Er muss nur noch an einem Hebel ziehen und kann durch eine Tür das Level verlassen. Vincents Leistung wird danach in Punkten bewertet. Je mehr Punkte, desto besser die Trophäe. Und auch das Preisgeld fällt größer aus, wenn er sich gut geschlagen hat. Doch wenn er denkt, er könnte endlich aufwachen, dann hat er sich geirrt.

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© Florian Münstermann // Wintersemester 2017/2018

II. Schafspodest

Nachdem das erste Puzzle-Rätsel gelöst wurde, findet der Spieler sich auf einem dunklen Podest wieder, welches nur durch einige Kerzen beleuchtet ist. Auf diesem Podest befinden sich verschiedene Schafe, die sich optisch unterscheiden. Hierbei sind optische Referenzen zur realen Welt festzumachen. Die Schafe tragen unterschiedliche Kleidung und haben einen aufrechten Gang. Teilweise ist das menschliche Gegenstück an der Bekleidung zu erkennen.

Der Spieler ist jetzt in der Lage ein Gespräch mit den einzelnen Schafen zu führen. Hierbei erhält man Gameplay-Tipps, Hintergrundinfos zu den einzelnen Charakteren und zum Podest, sowie die Möglichkeit moralische Fragen zu beantworten und Items einzukaufen, welche einen Vorteil in den Puzzle Level bringen.

Hierbei ist beispielsweise eine Bibel zu nennen, mit deren Hilfe alle gegnerischen Schafe, die in diesem Moment innerhalb des Puzzle Levels sichtbar sind vernichtet werden können. Die Gameplay-Tipps erhalten Hinweise auf bestimmte Spielweisen, mit deren Hilfe die einzelnen Level besser bewältigt und erfolgreich beendet werden können. Zusätzlich zu der Dunkelheit, gibt es weitere Elemente, die eine Horrorstimmung erzeugen. Das Podest ist von Gefängniszellen umgeben, hinter denen sich Schafe befinden, welche um Ihre Befreiung flehen. Viele der Schafe haben rote Augen und sind teilweise nicht mehr bei Sinnen. In der Mitte des Podestes befindet sich ein roter Teppich, welcher zu einer Kapelle führt, in dem sich ein Beichtstuhl befindet.

Mit dem Betreten des Beichtstuhls wird der Aufenthalt auf dem Podest beendet. Hier wird der Spieler aufgefordert eine Reihe von Fragen zu beantworten, welche verschiedener Natur sind. Dieses können beispielsweise persönliche-, oder Gewissensfragen sein. Thematisch sind hierbei Themen aus den Bereichen Beziehung, Zwischenmenschliches und Sexualität zu nennen. Der Spieler erhält die Auswahl zwischen zwei Antwortmöglichkeiten, mit deren Beantwortung Einfluss auf ein Barometer und das Ende des Spiels genommen wird. Dieses Barometer zeigt die Tendenz an, auf welches Ende sich der Spieler zubewegt.

Diese Mechanik ist vergleichbar mit dem Spiel Heavy Rain, bei dem auch durch individuelle Entscheidungen des Spielers innerhalb der Geschichte das Ende beeinflusst wird. Ein ähnliches Konzept wird bei Visual Novels verwendet.

 

© Marvin Spirakos // Wintersemester 2017/2018

III. Bosslevel

Gelangt man in das letzte Level einer Stage, erwartet einen traditionsgemäß ein Boss, vor dem man flüchten muss, allerdings mit erschwerten Bedingungen. Die Spielfigur kann nicht nur durch Fallen oder explodierende Blöcke sterben, sondern auch durch die Spezialattacken des Bosses. Ist man dem Boss zu nahe, kann er Vincent mit einem Nahkampfangriff ausschalten. Aber auch aus der Entfernung kann er mit bestimmten Angriffen treffen, die nur bestimmte Blöcke anvisieren oder sogar ganze Blockreihen. Eine weitere Fähigkeit des Bosses ist, dass er die Struktur des Levels beeinflussen kann, indem er z.B. Blöcke zerstört, die Block-Art verändert oder die Anordnung durcheinanderbringt. Das hebt den Schwierigkeitsgrad ungemein, weil der Spieler nicht nur nachdenken muss, wie er durch verschieben der Blöcke schnell zum Ziel gelangt, sondern gleichzeitig den Attacken des Bosses ausweichen muss.

Ein Beispiel veranschaulicht einen Bosskampf aus dem Spiel: Der erste Boss ist die „Hand des Terrors“.

Wenn Vincent in seiner direkten Nähe ist, visiert er Blöcke an, die rot hervorgehoben sind. Wenn der Spieler Vincent nicht schnell genug auf einen sicheren Block bewegt, stirbt Vincent durch einen Nahkampfangriff. Die andere Fähigkeit erlaubt es dem Boss, eine zufällige Anzahl von Blöcken in seiner Nähe zu schweren Blöcken zu ändern.

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© Florian Münstermann // Wintersemester 2017/2018