IV. Die Bar „Stray Sheep“

Nach jeder abgeschlossenen Stage kehrt man in Vincents Stammbar „Stray Sheep“ zurück. Dieser Ort erlaubt es dem Spieler, Vincents Freunde und die Gäste sowie das Personal der Bar näher kennenzulernen. Der Aufenthalt in der Bar beginnt mit einem Gespräch mit seinen Freunden am Tisch, bei dem Vincent über seine aktuellen Sorgen spricht. Ebenfalls kann Vincent alkoholische Getränke bestellen, wie Whiskey, Bier oder Sake. Je mehr Alkohol Vincent trinkt, desto schneller bewegt er sich in den Albtraumleveln.

Des Weiteren kann man ebenfalls mit den Gästen der Bar reden. Gegebenenfalls fragen diese Vincent nach einem Rat und der Spieler kann sich zwischen mehreren Antworten entscheiden, die ebenfalls das Barometer und damit das Ende beeinflussen. Es lohnt sich lange genug, in der Bar aufzuhalten, da die Gäste wechseln oder über neue Sachen zu berichten haben.

Wer sich abseits der normalen Albtraumleveln einer Herausforderung stellen möchte kann am Spielautomaten das Minispiel „Rapunzel“ zu spielen, welches eine abgespeckte Version der Albtraumlevel ist. Der Unterschied ist, dass man nur eine begrenzte Anzahl an Zügen hat, es kein Zeitlimit gibt, sowie nicht alle Blockarten auftauchen. Die Endpunktzahl ist abhängig von der Anzahl der gemachten Züge und den gesammelten Bonusitems.

Ansonsten befindet sich in der Bar noch eine Jukebox, an der man die Hintergrundmusik ändern kann. Je weiter der Fortschritt im Spiel, desto mehr Musikstücke stehen zur Auswahl, die allesamt zum Soundtrack des Spiels gehören.

Von der Bar aus kann Vincent die Toilette betreten. Sein Geschäft kann man dort zwar nicht verrichten, aber man hat seine Ruhe vor dem Lärm in der Bar und kann in Ruhe einen Blick auf das Handy werfen.

Ein Blick in den Spiegel lässt den Spieler kurz erschaudern, aber man erfährt den Boss der nächsten Stage.

Apropos Handy. Dieses Gerät ist ein wichtiges Spielelement außerhalb der Albtraumlevel. Es ist die einzige Möglichkeit außerhalb der Albtraumlevel zu speichern. Außerdem kann man bereits abgeschlossene Level noch einmal spielen und sich die Highscores anschauen. Für die Story relevant ist die Option, SMS zu schreiben. Hin und wieder bekommt man Nachrichten von Catherine oder Katherine, die Vincent beantworten kann. Aus vorgegebenen Möglichkeiten kann man jeden einzelnen Satz der Antwort formulieren, jedoch mit Bedacht, denn auch hier beeinflusst die Formulierung der Antwort das Barometer.

© Florian Münstermann // Wintersemester 2017/2018

Atlus – ein Überblick

A tale of two companies.

Catherine ist einer der erfolgreichsten Gamelaunches der Spieleschmiede Atlus. Die Verkaufszahlen sind nicht nur in Japan hoch, sondern auch, mit 200.00 verkauften Exemplaren allein in der ersten Woche, in Amerika. Persona 5 toppt das Ganze mit 330.00 Spielen in der ersten Woche und einer Endjahresbilanz von über 2 Millionen verkauften Exemplaren.

Für andere Entwickler mag das nichts ungewöhnliches sein, doch für Atlus wird gerade eines der erfolgreichsten Kapitel ihrer Firmengeschichte aufgeschlagen. Für Amerika und Europa sind sie eher ein Nischenentwickler mit einem preisgekrönten Portfolio: Darunter mit Spieletiteln wie Shin Megami Tensei, dessen Spin-Off Persona, Trauma Center und natürlich Catherine.

Atlus Japan – from Purikura to Catherine.

Atlus gehört zu jenen Entwicklern/Publishern, die neben einer beeindruckenden Gamereleaseliste auch eine bewegte dreißigjährige Firmengeschichte haben. Mitte der Achtziger wurde Atlus in Japan gegründet. Wie zu diesen Zeiten nicht unüblich, vertrieb Atlus Unterhaltungstechnik – neben Karaokequipment diverse andere Automaten, wie z.B. die gemeinsam mit Sega entwickelte erste Purikura-Maschine Mitte der Neunziger.

 (Purikura-Automaten sind Fotokabinen, die kleine, selbstklebende Fotos herstellen, die man bei der Aufnahme mit vordefinierten Bildern dekorieren kann.)

Anfangs arbeitet Atlus mehrheitlich für andere Entwickler. Doch stetig fangen sie auch an eigene Titel zu veröffentlichen. Ihr erster eigener Spieletitel Puzzleboy auf dem Gameboy kommt Ende der Achtziger auf den Markt. 

Anfang der Neunziger steigen sie in den Arcademarkt ein und entwickeln unter anderem ihren ersten Arcade Titel BlaZeon. Zudem wird Atlus Dream Entertainment Co., Ltd in den USA gegründet. Anfang der 2000er sieht sich Atlus gezwungen das Unternehmen umzustrukturieren, da sie in den Jahren zuvor ein erhebliches Defizit erlitten hatten.

Kurz vor der Fertigstellung von Persona 4 beginnt 2008 die Entwicklung von Catherine. Ein Titel mit dem sie an mehreren Fronten Neuland betreten, welches aber das Fundament für ihren späteren Erfolg außerhalb Japans legt. Ein Spiel, das ausschließlich nicht nur thematisch an Erwachsene gerichtet ist, gab es in ihrem Portfolio vorher nicht. Auch technisch stoßen sie mit Catherine in neue Gebiete vor – es ist ihr erster Titel für HD-Konsolen. Die Animationen werden ambitionierter: während die Cutscenes in ihren vorherigen Spielen nie eine halbe Stunde überschritten, arbeiten sie mit Studio 4°C ein Jahr lang an dem über einstündigen Material.

Catherine – A Long unfamiliar road.

Die Schlüsselfiguren im Entwicklerteam sind alles Veteranen der Personareihe, jedoch liegt Catherine außerhalb ihres gewohnten Komfortbereichs Rollenspiele.  Es ist der Versuch etwas völlig Neues zu kreieren. Die Actionpuzzlermechanik war schon Jahre zuvor als Liebhaberprojekt eines Atlus-Entwicklers entstanden, technisch aber zur damaligen Zeit nicht mit den vorhandenen Mitteln umsetzbar. Die Adventure-Elemente werden bewusst als Gegensatz zum üblichen RPG-Storytelling eingesetzt, um die Bandbreite des Entwicklerstudios zu erweitern.

Auch die Protagonisten sind um einiges älter als gewohnt. Während die meisten vorherigen Spiele die goldenen Zeiten der Jugend glorifizieren, setzt sich Catherine bewusst mit den Irrungen und Wirrungen des Erwachsenenalters auseinander. Die Identifikationsfaktoren eines Highschoolszenarios sind hoch, egal wie alt oder jung die Spielerschaft ist. Das sieht aber bei unterschiedlichen Lebensentwürfen ab Dreißig anders aus. Es gibt keinen allgemeingültigen Rahmen mehr, der alle auffängt. Dennoch kommen die meisten Menschen nicht umhin zu akzeptieren, dass Liebe, Hochzeit und Beziehungen je älter man wird, eine umso größere Rolle in den verschiedensten Bereichen des Lebens spielen.

Genau dort setzt die Story und das Setting von Catherine an. Mit dem Protagonisten Vincent sollte der Charakter eines „Sexy Losers“ in den Dreißigern geschaffen werden. Dem äußeren Anschein nach hat er mit seiner Beziehung den Jackpot geknackt: Katherine ist schön, heiratswillig und erfolgreich. Doch die Fassade bröckelt, als die junge Catherine auf den Plan tritt – als Gegenentwurf zu der Verantwortung seiner Beziehung aber auch als fleischgewordener Männertraum eines Mittdreißigers oder Mittvierzigers. Dieses Szenario ist keineswegs ungewöhnlich, gerade wenn man das Medium Film oder Serien betrachtet. An eine spielerische Umsetzung hatte sich bisher jedoch kein anderes Entwicklerstudio vorher gewagt. Umso wichtiger war es, die Charaktere im Spiel so real wie möglich erscheinen zu lassen. Dafür konsultierten die Entwickler ihre eigenen Erfahrungen und die ihres Umfelds. Besonders um der Thematik des Liebesdreiecks zwischen Vince, Catherine und Katherine Leben einzuhauchen.

Kurz vor der Fertigstellung von Catherine wird Atlus 2010 von Index Holdings über Aktienanteile aufgekauft und damit als Firma aufgelöst. Catherine wird trotzdessen ein Erfolg und glücklicherweise bleibt die Marke Atlus als Promortionlabel erhalten.  Nach Ermittlungen wegen Betrugs musste 2013 Index Holdings Insolvenz anmelden.  Atlus ging danach an die Sega Sammy Holdings über, unter deren Dach sie bis heute äußerst erfolgreich arbeiten.

Atlus USA – Staying close to the original.

Wie schon erwähnt, wurde Atlus USA Anfang der Neunziger unter dem Namen Atlus Software von Atlus Co., Ltd gegründet, mit dem Gedanken, dass ein lokales Unternehmen und dessen Infrastruktur in den USA für die Portierungen und den Erfolg im Westen von Vorteil sei. Aber auch Titel von anderen Atlus-unabhängigen japanischen Entwicklern wurden von Atlus USA für den internationalen Markt lokalisiert. Unter anderem von Quest (Ogre Battle, Tactics Ogre), Nippon Ichi Software (Disgaea: Hour of Darkness ), FromSoftware (Demon Souls), ACE Team (Abyss Odysee, Rock of Ages).

Nach Startschwierigkeiten bildete Mitte der Neunziger Persona den Anfang der Erfolgsgeschichte von Atlus USA Revelations. Der erste Teil der Subseries von Megami Tensei, welches Atlus in Japan schon berühmt gemacht hatte. Warum Persona und nicht die schon erfolgreiche Megami Tensei Reihe? Die religiöse Symbolik der Hauptserie ist den potientiellen Publishern ein Dorn im Auge. Was die Entscheidung vereinfacht, da Revelations keine dieser Symboliken enthält. Wahrscheinlich wird auch der Umstand eine Rolle gespielt haben, dass sie sich mit diesem Titel auf dem Markt etablieren wollten.

Mit dem Release von Persona 2: Eternal Punishment findet Ende der Neunziger Atlus USA seine Firmenprämisse, der sie bis heute treu bleiben. Diese Prämisse lautet, so nah am japanischen Kontext wie möglich zu arbeiten, nur etwas zu ändern wenn es wirklich notwendig ist. Der Inhalt der jeweiligen Spiele wird zuerst (die sogenannte „familiarization“) dem Teamleiter des Projekts in Originalfassung zugänglich gemacht, erst danach beginnt die wirkliche Portierung.  Neben Lippensynchronisation für den westlichen Markt arbeiten sie, wie ihre Mutterfirma mit professionelle Synchronsprecher zusammen und versuchen diese auch bei bei wiederkehrenden Charakteren in verschiedenen Titeln zu erhalten.

Diese professionelle Arbeitsweise unterscheidet Atlus von früheren und leider auch heutigen Portierern deutlich. Oft wurde zugunsten der Identifizierung für den westlichen Markt bei der Übersetzung verschiedenster Medien aus dem Japanischen gerne z.B. Ramen mit der Erbsensuppe ersetzt (Shin Chan, Animeserie 1992- ongoing). Die Synchronsprecher der Hauptcharaktere wechseln von einer Staffel zu anderen (Pokemon oder Sailormoon). Bei Phoenix Wright: Ace Attorney − Justice for All (2002, Gameboy Advance) wird die Haupthandlung an einen gänzlich anderen Kontinent verlegt (von Japan in die USA). Unter diesen „Anpassungen“ leidet nicht nur die Glaubwürdigkeit des Mediums, sondern auch die qualitative Erfahrung der Narrativen.

Catherine– Between holding the line and improvisation.

Catherine wurde ebenfalls von Atlus USA portiert. Im Vergleich zu vorherigen Titeln, in denen die japanische Kultur im Vordergrund stand, setzte Catherine auf ein amerikanisiertes Setting.

Innerhalb der Portierung bzw. des Lokalisierungprozesses stößt das Team auf unterschiedliche Problematiken, so galt es beispielsweise nicht unbedingt wortgetreu zu übersetzen, sondern eher die Bedeutung des Dialogs, authentisch umzusetzen.

Ein anderes Problem sind die Zitate der Ladebildschirme gewesen. Zwar waren sie alle aus einem bekannten japanischen Zitatbuch, aber es gab weder Angaben zum Autor, noch funktionierten sie übersetzt ins Englische wirklich. Was das Team zur Entscheidung bewog gänzlich neue Zitate einzufügen, um sich nicht mit der Identifizierung der Autoren und der Übersetzung aufzuhalten. Einen deutlichen Vorteil für den Arbeitsprozess sahen die Portierer im Gegensatz zu anderen Titeln im Setting, das den Identifikationsfaktor und das Verständnis für die Charaktere im Vergleich zu dem üblichen Fantasyszenario erheblich erhöhte.

Die Synchronsprecher waren für Atlus keine Unbekannten – sie hatten größtenteils an anderen Projekten wie Persona 3 von Atlus mitgewirkt. Da die japanische und englische Synchronisation zeitgleich abliefen, gab es für die Sprecher nicht immer die Möglichkeit, einen Eindruck von der Stimmung und Atmosphäre zu gewinnen. Um ihrer Prämisse zum Realismus treu zu bleiben, wurden exakte Skripts mit Sprecheinsätzen und Pausen von Atlus ausgearbeitet, die mit den Animationen um 0.2 Sekunden übereinstimmen mussten. Auch hier wurde die Lippenbewegungen für manche Cutscenes aufs Englische angepasst, um eine natürliche Anmutung zu erzielen. Im Vergleich zum japanischen Anime waren die englischen Performances zurückhaltender und weniger stilisiert. Dennoch wurden den Sprechern auch Freiräume gelassen ihre Rolle auszuspielen. Ein Beispiel dafür ist der Streit zwischen Catherine und Katherine der größtenteils improvisiert wurde.

Auch die Zweigstelle in den USA war von den Umstrukturierungen der japanischen Mutterfirma betroffen. Die offensichtlichste Folge der Verschmelzung mit Index Holdings war eine zeitweilige Namensänderung zu Index Digital Media. Nach der Übernahme von Sega erhielten sie ihren alten Namen zurück, stehen seit dem aber unter der Verwaltung von Sega of America. Trotzdem arbeiten Sega und Atlus als getrennte Unternehmeneinheiten, d.h. alle Atlus Franchises blieben der Marke Atlus erhalten.

Ende gut alles gut? Einen kleinen Wermutstropfen gab es vor 2017 aber noch, denn nach unzähligen Lokalisierungen und Veröffentlichungen für alle wichtigen Konsolen und PC wie Arcana Heart2, Etrian Odyssey III, Radiant Historia, Persona 1-5 aber auch Titeln wie Mahjong Cub3d oder 101-in-1 Sports Party Megamix, lief der Vertrieb und die Veröffentlichung in Europa immer noch über Dritte. Wie z.B. Nippon Ichi Software, Deep Silver und NIS America, was bekannterweise den Veröffentlichungstermin um Wochen manchmal gar Monate verzögerte. Um dem entgegenzuwirken, gab Atlus 2017 bekannt nun die eine europäische Vertriebsabteilung zu eröffnen, deren Sitz in Sega Europe‘s Räumlichkeiten in London ist.

© Anastasia Kudinov & Sidonie von Ploetz // Wintersemester 2017/2018

Christentum?!

Das Christentum hat in Japan als praktizierte Religion mit nur etwa 1% gläubigen Christen unter der Bevölkerung keinen hohen Stand, in der Popkultur sind dessen Bräuche und der christliche Kanon dennoch relativ weit verbreitet. Dies spiegelt sich einerseits im Feiern von christlichen Festen, wie Weihnachten und Valentinstag, als auch in der Ausrichtung von Hochzeiten nach christlichen Bräuchen wieder. Dies geschieht jedoch in aller Regel nicht aus religiöser Überzeugung, sondern vielmehr aus einer Übertragung der Werte und einer Kommerzialisierung der Feierlichkeiten.

Andererseits findet vor allem in der Anime- und Manga-Szene – auf der Spiele wie Catherine basieren – der christliche Kanon, ähnlich wie die Kanons anderer westlicher Religionen, starke Verbreitung. Hauptgrund hierfür scheint eine starke Romantisierung, gerade des Christentums, aber auch eine Mystifizierung dessen zu sein. Ähnliches spiegelt sich auch in der Verwendung von europäischen Sprachen wie Latein und Deutsch wieder, beide werden in der japanischen Popkultur als mystisch klingend empfunden, so werden beispielsweise häufig deutsche Begriffe genutzt um Zaubersprüche oder rituelle Formeln auszudrücken.

Auf ähnliche Weise funktioniert der Einsatz von christlichen Elementen im Storytelling von Catherine. Was für den westlichen Betrachter absurd – da gewohnt – erscheint, ist wohl für den japanischen Spieler eine mystische Szenerie, gerade was die Verwendung von Symbolen oder auch typisch christlicher Architektur angeht. Ebenso ist die musikalische Untermalung oft mit christliche Motiven durchsetzt, Glockengeläut, Chöre und Orgelmusik dienen der akustischen Mystifizierung der Spielwelt. Begründet werden kann dies durch die starken Unterschiede zwischen dem Christentum und dem fast ausschließlich in Japan verbreiteten Shintoismus. Die Vorstellung eines einzelnen, allmächtigen Gottes wie ihn die Christen verehren, stellt einen so krassen Gegensatz zum Polytheismus des Shintoismus dar, dass das Christentum als etwas Fremdes empfunden wird, ähnlich wie der Shintoismus auf viele Europäer wirken dürfte.

Besonders betrachtet werden sollte daher die Art und Weise wie diese christlichen Elemente im Spiel eingesetzt werden. Hierbei gibt es vor allem drei Elemente die am deutlichsten hervortreten.

Das auffallendste Element, dürfte wohl der Beichtstuhl sein, welcher am Ende jedes Spielabschnitts als Überleitung zum nächsten Abschnitt dient. Rein äußerlich handelt es sich unverkennbar um einen typischen Beichtstuhl wie er in den meisten katholischen Kirchen zu finden ist, auf dessen Dach ein kleiner Engel sitzt, welcher den Hauptcharakter mitsamt Beichtstuhl später in den nächsten Abschnitt fliegt. Der Spieler wird hier mit einem Fortschritt in der Story konfrontiert, dies geschieht jedoch auf einer Art moralischen Ebene, so wird dem Spieler stets eine Frage gestellt, zu der es zwei mögliche Antworten gibt. Die Fragen haben einen moralischen Hintergrund, welcher indirekt auf die Beziehung zwischen dem Hauptcharakter und seiner Freundin anspielt, wobei sich die Entscheidungen des Spielers auf eine Karmaanzeige auswirken.

Mit anwesend, während der Spieler die gestellte Frage zu beantworten hat, ist eine scheinbar Körperlose und unbekannte Person, diese dient im Beichtstuhl als eine Art Beichtvater, scheint viel über den Hauptcharakter zu wissen, jedoch nicht direkt über diesen zu urteilen. So scheint es, dass bei den Entwicklern von Catherine die katholische Kirche als moralische Instanz wahrgenommen wird und diese Wahrnehmung auf das Spiel übertragen wurde.

Ein weiteres genutztes Element, sind die Bezeichnung für die Spielabschnitte. Mehr oder weniger alle weisen hier direkt oder indirekt auf christliche Elemente hin. So dient der Spielabschnitt „Torture Chamber“ als Ort, wo jene gefoltert werden die ihren Partner betrogen haben, die Parallelen zur christlichen Hölle sind dabei offensichtlich.http://catherine.wikia.com/wiki/Inquisition?file=Catherine_Inquisition.jpg

Auf „Torture Chamber“ folgt der Spielabschnitt „Inquisition“, welche im europäischen Mittelalter als Instrument der Kirche diente Jagd auf Dissidenten, Sünder und Nichtchristen zu machen.

Hierauf folgt der Abschnitt „Quadrangle“, ein Begriff der im Englischen auch für einen rechteckigen Innenhof genutzt wird, wie man ihn häufig in Klöstern oder größeren Kirchen und Kathedralen findet. Somit wird auf ein typisches Merkmal der christlich-sakralen Architektur Bezug genommen.

Gleiches gilt auch für die darauf folgenden Abschnitte „Clock Tower“, dt. Glockenturm, „Spiral Corridor“, dt. Wendeltreppe, und „Cathedral“.

Der letzte Spielabschnitt „Empireo“, dt. Empyrion, stellt eine Besonderheit dar. Laut christlichem Kanon ist das Empyrion der Teil des Himmels in welchem sich der Thron Gottes befindet. Es ist somit das Allerheiligste des Christentums. Das Empyrion kann daher als Oberbegriff für den christlichen Himmel verstanden werden.

Die Besonderheit entsteht durch die Kombination aus „Torture Chamber“ als Sinnbild für die Hölle und dem Empyrion als Sinnbild für den Himmel. Im Verlauf seiner Reise kämpft sich der Hauptcharakter somit im übertragenen Sinne von der Hölle, hinauf in den Himmel, um seine Freundin bzw. seine Beziehung und damit sich selbst zu retten. Dies ähnelt stark der „Göttlichen Komödie“ von Dante Alighieri, in welcher der Hauptcharakter gezwungen ist eine Reise durch die Kreise der Hölle durchzustehen um seine Geliebte zu retten, eine der bedeutendsten Dichtungen der italienischen und christlichen Literatur des Spätmittelalters.

Ein drittes Element ist die Beziehung zwischen den verschiedenen Charakteren, vor allem zwischen Boss und den Bargästen, die wie Vincent in ihren Träumen in Schafe verwandelt werden. Der Name der Bar selbst „Stray Sheep“, dt. Streunende Schafe, weißt bereits auf das Schicksal ihrer Gäste hin, in Verbindung mit Boss als Barkeeper der auf alles ein Auge hat entsteht eine Art Hirte-Herde-Beziehung zwischen Boss und seinen Gästen. Boss bzw. sein Alter Ego Dumuzid, ist in der sumerischen Kultur als Hirtengott bekannt. Der abrahamitische Gott wie ihn auch das Christentum verehrt, ist aus der Folklore vieler mittelöstlicher Kulturen, wie eben auch der Sumerer entstanden und stellt quasi eine kulturelle Verschmelzung vieler

indigener Hauptgötter dar. So wundert es nicht das die Hirte-Herde-Beziehung auch im Christentum eine weitverbreitete Allegorie für die Beziehung zwischen Gott und Gläubigen ist. In diesem Sinne ist Dumuzid der Hirte, welcher über die buchstäblichen Schafe der Traumpassagen wacht. Somit ist Boss der als Auftraggeber Catherines die Männer zu bestimmen scheint, derer sie sich annimmt im übertragenen Sinne der allmächtige Gott und Entscheider über Leben und Tod.

© Hauke Hülsmann// Wintersemester 2017/2018

Charaktere

In „Catherine“ gibt es zahlreiche Charaktere, welche bei genauerer Betrachtung Verbindungen zueinander aufweisen, die oftmals einen mythologischen Hintergrund besitzen.

Beginnen wir mit Catherine, sie ziert immerhin auch den Titel des Spiels. In der echten Welt begegnet sie Vincent dem Protagonisten und verführt ihn, denn es stellt sich heraus, dass Catherine ein Succubus in der Unterwelt ist. Kurz erklärt ist ein Succubus ein weiblicher Dämon, die untreuen Männer in Träumen erscheint und diese dann meistens durch sexuelle Aktivitäten verführt. Dies resultiert oft im Tod des Mannes. Diese Beschreibung, der ‚Arbeit‘ eines Succubus, findet man bei Catherine eben genau so wieder. Ihr weibliches Äußeres erscheint bei jedem Mann anders und sie war bevor sie die Jagd auf Vincent begann, bei einer Vielzahl von Männern aus dem „Catherine“-Universum erfolgreich, sodass es zu vielen Todesopfern im Laufe des Spiels kommt. Diese ‚Arbeit‘ verrichtet sie unter dem Auftrag von Boss, den wir später noch einmal intensiver betrachten. Zuerst möchte ich aber von Catherines Vater Nergal berichten.

Ja, sie hat einen Vater, wenn auch vielleicht nicht Blutsverwandt und ihr Verhältnis zueinander auch nicht, der einer Bilderbuchbeziehung gleicht, ist er auch in der sumerisch-akkadischen, babylonischen und assyrischen Religion als Lord der Unterwelt bekannt. Er ist überhaupt nicht begeistert davon, dass Catherine Vincent heiraten möchte, muss sich jedoch in „Catherines True Ending“ damit abfinden, dass Vincent Catherine zur Frau nimmt und Nergal dadurch abdankt. Das interessante an Nergal in „Catherine“ ist, dass er als eine Kombination zwischen dem Teufel, wie man ihn im Westen kennt und einem Yokai, also einem japanischen Dämon mit blauer Haut und roten Augen dargestellt wird.

Als Vater hat Nergal natürlich auch eine Frau, welche in der babylonischen Mythologie Ereshkigal ist. Somit ist sie die Herrin der Unterwelt und außerdem die oberste sumerische Schlangengöttin. Sie kommt zwar nicht als leibhaftiger Charakter in Catherine vor, das spannende an Ereshkigal ist aber auch hier eher ihre Schwester Ishtar. Ishtar ist mitunter der komplexeste Charakter, den das Spiel aufweist, da sie gleich unter drei Namen bzw. Avataren anzutreffen ist.

Richtig gelesen, alle guten Dinge sind drei oder in diesem Fall üble Dinge? In der Eröffnungssequenz, ist sie es, die dem Spieler die Geschichte um Vincent präsentiert und diesen zum ersten Mal zu Vincents Alpträumen leitet. Wir treffen sie dort als Trisha an, die Wirtin des „Golden Playhouse“. Vielleicht ist es dem ein oder anderem schon aufgefallen, Trisha ist ein Anagramm zu Ishtar und somit ein und dieselbe Person. Ishtar wird genau wie Nergal in der akkadischen, babylonischen und assyrischen Religion verehrt und außerdem als sumerische Göttin der Liebe, Schönheit, Fruchtbarkeit, des Begehrens, Krieges, Gerechtigkeit und politischer Macht angesehen. Ein Symbol ihrerseits ist der Löwe, was ganz interessant ist, da ihr Afrolook als Trisha an eine Löwenmähne erinnert. Ebenfalls spannend ist, der Planet Venus, der mit ihr assoziiert wird, denn ihr Beiname ist „The Midnight Venus“. Sie erklärt dem Spieler im späteren Verlauf, dass ihr Ziel es sei, einen neuen Gatten zu finden, der ihren jetzigen ersetzt, da er sie permanent betrügt. Es stellt sich heraus, dass eben dieser neue Gefährte, der Spieler selbst sein soll.

Ein weiterer Avatar Ishtars ist Astaroth, als kryptische Stimme in der realen Welt getarnt und als mysteriöse Stimme in der Traumwelt spricht diese zu Vincent. Beachtenswert ist auch, dass der Name Astaroth abgeleitet vom Gott Astarte ist und dies wiederum ist ein phönizisches Äquivalent zu Ishtar. Das Ende vom Lied ist, Astaroth ist das „Mastermind“ hinter der ganzen Geschichte und so kommen wir um das ganze abzurunden zu dem erwähnten Boss, dem Catherine unterstellt ist. So wie Ishtar ist auch er unter drei Namen bekannt. Boss, Thomas „Chop“ Mutton und Dumuzid.

Überraschung, Überraschung, er ist Ishtars Gatte, der Dumuzid und somit der Haupt Antagonist in „Catherine“. In der ‚realen‘ Welt arbeitet er in der Bar „Stray Sheep“ und ist dort unter dem Namen Boss bekannt, wo er seinen Gästen bei Bedarf mit Rat und Tat zur Seite steht. Als Mensch geboren unter dem Namen Thomas („Chop“) Mutton – Mutton bedeutet übersetzt Schaffleisch und to chop zerhacken, was im Hinblick auf die Aufgabe, die er für Ishtar ausführt, die Männer in ihren Alpträumen als Schafe zu ‚leiten‘ gesehen werden kann oder eben auch auf den Namen seiner Bar „Stray Sheep“ anspielt – hat er Ishtar’s Turm erfolgreich absolviert, nachdem er genau wie Vincent in seinen Alpträumen dort gefangen war. Daraufhin wurde ihm von Ishtar ein Wunsch gewährt und er wurde zu einer Gottheit und Ishtars Gatten. Auch die Mythologie besagt, dass Dumuzid eigentlich ein Mensch war, der nur durch die Heirat mit Ishtar göttlich wurde. Außerdem wird er als sumerischer Hirtengott verehrt.

Zum näheren Verständnis ist unten eine kleine Übersicht dargestellt, welche Person mit welcher eine Beziehung oder Verhältnis hat.

 

 

© Eva Moll // Wintersemester 2017/2018

Wiederkehrende Symbole

Traum

Catherine ist vollgestopft mit Metaphern und Symbolen. Neben klaren Bezügen zu vielen Religionen nimmt vor allem die Thematik des Träumens einen großen Teil der allgemein dargestellten Symbolik ein. Viele Metaphern beziehen sich darauf und Träume wie Albträume sind auch wesentlicher Bestandteil der Geschichte und, in Form der Albtraum-Level, gar Teil des Gameplays.

http://catherine.wikia.com/wiki/File:Catherine_1.png

Durch die allgegenwärtigen und wiederkehrenden Andeutungen des Träumens kann durchaus der Eindruck entstehen, bei der gesamten Geschichte handele es sich um einen Traum und nichts davon sei wirklich passiert. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass dies von den Entwicklern absichtlich offengehalten wird und der Interpretation und Fantasie jedes einzelnen Spielers selbst überlassen ist.

 

Schafe

Fast genauso allgegenwärtig wie die Thematik des Träumens ist die Darstellung von Schafen im Spiel. Diese werden natürlich ebenfalls mit Träumen in Verbindung gebracht. So zählt man Umgangssprachlich üblicherweise Schäfchen um einzuschlafen. Im Spiel wird auch explizit auf dieses Sprichwort Bezug genommen. Boss erwähnt, dass man Kindern erzählt sie sollen Schafe zählen (engl. Sheep) weil sich das auf Schlaf (engl. Sleep) reimt.

Die Bar “ Stray Sheep” (streunendes Schaf) nimmt im Spiel eine zentrale Rolle ein. Sie ist der Ort im Spiel, in dem man sich als Spieler mit Abstand am meisten aufhält, wenn man nicht in den Traum-Leveln unterwegs ist und neben diesen der einzige Ort, an dem man die Spielfigur selbst steuern kann. Die Bar ist gleichzeitig eine Verbindung zur Traumwelt, denn dort trifft man viele der Personen, die man nachts auch als Schafe im Traum trifft.

Auf der Toilette bekommt man von einer körperlosen Stimme, sowie dem Spiegel schon einen kurzen Teaser auf das Alptraum-Level der kommenden Nacht.

 

In den Albtraum-Leveln trifft man immer wieder Schafe. Einige davon fungieren als Gegner beim Hochklettern und können einen nach unten stoßen bzw. können von einem selbst nach unten gestoßen werden. Mit anderen (zwischen den Stages) kann man sich unterhalten.

Fast alle dieser Schafe kann man auch in der Bar treffen.

Mit Schafen bringt man unter anderem Eigenschaften wie Dummheit oder Feigheit in Verbindung. Schafe fürchten sich vor Blitz, Donner oder Stürmen. Im Spiel werden untreue Männer in ihren Träumen in Schafe verwandelt. Ihnen könnte man dumme Entscheidungen und die Feigheit nicht zu diesen zu stehen vorwerfen. In der Realität besteht eine Schafherde vor allem aus weiblichen Tieren, was im Gegensatz dazu steht, dass nur Männer in Schafe verwandelt werden. An dieser Stelle könnte man sich vielleicht eher an das Sprichwort des Wolfs im Schafspelz erinnert fühlen.

Ein männliches Schaf (Widder) ist allerdings in vielen Kulturen auch als Fruchtbarkeitssymbol bekannt, weil er bis zu 50 Begattungen am Tag vornehmen kann. Das wiederum passt, auf die Sexualität bezogen, zum sehr negativen Männerbild im Spiel. Schafe stehen auch für Konformität und dass sich Einfügen in die Gesellschaft und deren Normen und Regeln. Auf der Karma-Skala im Spiel entspricht das eher dem mit Katherine in Verbindung stehenden Element der Ordnung, wohingegen Vincent, wenn er sich für die andere Richtung (Chaos) entscheidet eher zum Sprichwörtlichen schwarzen Schaf wird.

In der Traumdeutung stehen Schafe für Geduld, Sanftmütigkeit und den Wunsch nach Frieden.

Kissen und Decke

Im Alptraum auch immer dabei ist Vincents Kissen. Wie ein Kind klammert er sich Schutz suchend daran fest oder versucht zu verbergen, dass er mit nichts außer seinen Boxershorts bekleidet ist. Interessant dabei ist, dass in Asien Kissen häufig auch mit Schafwolle gefüllt sind, wodurch sich einmal mehr die Schaf-Symbolik zeigt. Kissen dienen´in den Alptraum-Leveln außerdem auch als zusätzliche Leben, die aufgesammelt werden können. Dies stellt sich ebenfalls als sehr passend heraus: in der Traumdeutung stehen Kissen  neben der Gemütlichkeit vor allem symbolisch für Unterstützung, Ruhepausen und Regeneration.

Auffällig ist auch, dass Vincent üblicherweise ohne Bettdecke und nur mit einem Kissen schläft. Eine Bettdecke ist meist nur dann zu sehen, wenn auch Catherine bei ihm ist. Das ist ebenfalls bemerkenswert, denn eine Bettdecke steht symbolisch für Wärme Schutz und Sicherheit. Das Fehlen dieser, könnte symbolisch dafürstehen, in welcher Gefahr sich´Vincent im Schlaf und während der Albträume befindet.

Ameise

Auffällige Auftritte haben auch Ameisen im Spiel, wenn auch nur ein paar. Im Spiel wird keine Erklärung für ihre Anwesenheit gegeben und eine Interpretation ihrer Bedeutung ist deswegen nicht leicht. Teilweise sind eine oder mehrere Ameisen im Hintergrund zu sehen.

An anderer Stelle sind sie offensichtlich im Vordergrund, was zu Verwirrung führen kann, weil sie mit der Handlung in diesem Moment nichts zu tun haben. Nur an einer Stelle werden sie wirklich prominent in die Handlung eingebunden, wenn sie nämlich Vincents Zimmer befallen und dann samt Bettdecke von Catherine aus dem Fenster geworfen werden.

Darüber hinaus finden sie sich ebenfalls als Gegner in den nächtlichen Albtraum-Leveln wieder. Offensichtlich ist, dass sie vor allem in Verbindung mit Katherine und dem Café “Chrono Rabbit” auftauchen. In dem Café treffen sich Vincent und Katherine häufig und von dort aus bringt Katherine auch den Kuchen für Vincent mit, der später die Ameisen in sein Apartment lockt. Fast in jeder Szene mit Katherine sind auch die Ameisen zu finden.

Ameisen gelten als emsige und fleißige Arbeiter und sind gut organisiert. Man könnte interpretieren, dass dies alles Dinge sind, die sich Katherine von Vincent wünscht.

In der Traumdeutung stehen Ameisen darüber hinaus auch für Glück und Erfolg. Ameisen im Bett wiederum können für Glück in Liebesbeziehungen stehen oder auch den Kreislauf von Leben und Tod symbolisieren.

Klettern

Das Spielprinzip des Erkletterns der Kisten, ähnelt dem Besteigen eines Berges. In der Traumdeutung, verbindet man dies mit dem Bewältigen von Anstrengung und dem meistern von Herausforderungen, was ziemlich gut auf das Spielerlebnis passt. Es kann gleichzeitig aber auch für die Flucht vor Alltagsproblemen, dem Entziehen von eigener Verantwortung stehen, sowie für geringes Selbstbewusstsein. Alles trifft gut auf Vincents Lebenssituation.

Mit dem Klettern nach oben geht auch die Angst vor dem Sturz nach unten einher, der ja beim Versagen des Spielers auch eintritt und in der Traumdeutung meistens für Verlust steht.

Durch das besondere Spielprinzip von “Catherine” erhält das Klettern in den Albträumen auch eine gewisse Meta-Ebene. Wenn man sich lange und intensiv mit dem Gameplay beschäftigt (indem man viel spielt), lernt man langsam auf die spezielle Art zu denken, wie es zur Lösung des Spiels nötig ist: ‘Welche Wege nach oben gibt es? ’ und ‘welche Kisten müssen verschoben werden? ’. Es ist deshalb durchaus möglich, dass einen dieses Denken und das Spielprinzip auch in den eigenen Träumen verfolgt.

© Björn André Augstein // Wintersemester 2017/2018

Yonder: The Cloud Catcher Chronicles

Open-World-Games erfreuen sich einer großen Beliebtheit. Immer mehr Videospielhersteller entwickeln Spiele, die auf das Open-World Konzept basieren. Hierbei besteht der Kerninhalt des Spieles darin, in einer frei begehbaren Welt unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen und ein langfristiges Ziel zu verfolgen. Ein Vertreter dieser Open-World-Games ist das 2017 erschienene „Yonder: The Cloud Catcher Chronicles“. Die Spieler_innen spielen einen Charakter, welcher Schiffbruch erleidet und auf Grund dessen auf der magischen Insel Gemea landet. Diese ist teilweise durch einen dunklen Nebel bedeckt und die Aufgabe des Spielers ist es, den Nebel zu entfernen und dem Rätsel hinter dem Nebel auf den Grund zu gehen.

Zelda-Anleihen

Optisch ist das Spiel vergleichbar mit „The Legend of Zelda: Breath of the Wild“ aus dem Jahr 2017, welches ebenfalls einen Cel-Shading-Look hat. Bei „Yonder: The Cloud Catcher Chronicles“ sieht jedoch alles noch ein wenig knuffiger aus. Tiere, Landschaften und Personen sind sehr süß animiert und sollen wohl auf Grund dessen ein eher junges Publikum ansprechen. Die vorhandene Fauna im Spiel ist kein Teil unserer realen Welt. Eher handelt es sich um Abwandlungen von realen Tieren, die optimal in die niedliche Spielwelt eingebunden sind.

Sind denn hier alle stumm?

Eine Sprachausgabe besitzt das Spiel nicht. Wer im Detail erfahren möchte, welche Hintergrundgeschichten und genauen Aufgaben sich hinter den einzelnen Personen im Spiel verbergen, sollte sich darauf einstellen, dass diese per Textfelder mitgeteilt werden. Wer diese jedoch überspringen möchte verpasst nicht viel. Besonders die Nebenaufgaben erfordern kein genaues Lesen, da sich die Bitten in den meisten Fällen dahingehend wiederholen, dass man etwas besorgen soll. Der mit meist klassischer Musik daherkommende Soundtrack des Spiels ist angenehm und fügt sich in die idyllische Landschaft optimal ein.

Sammeln und noch mehr Sammeln

Spielerisch ist „Yonder: The Cloud Catcher Chronicles“ einfach gehalten. Zu erkennen ist dieses an der simplen Struktur der zu lösenden Aufgaben, welche sich nur minimal unterscheiden. Hauptsächlich ist der Spieler damit beschäftigt, erwünschte Gegenstände zu sammeln und den Personen zu übergeben, die den Auftrag erteilt haben. Viele ältere Spieler werden sich bei dieser einseitigen Struktur der Aufgaben schnell langweilen. Für jüngere Spieler, die sich nicht mit komplexen Aufgaben beschäftigen wollen oder können, ist es jedoch ein tolle Möglichkeit die Spielwelt zu entdecken. Hinzu kommen die im gesamten Spiel versteckten Feen, die gefunden werden müssen, um den dunklen Nebel in jeweils verschiedenen Gebieten der Spielwelt verschwinden zu lassen. Eine Alternative im spielerischen Bereich bildet der Bau einer eigenen Farm. In dieser kann der Spieler seine eigenen Tiere zähmen und halten. Der Besitz von Tieren ist bei vielen Kindern als Wunsch sehr ausgeprägt und wird durch diese Möglichkeit der eigenen Farm befriedigt. Bei älteren Spielern kann es aber vorkommen, dass auf Grund des simplen Systems nicht das Gefühl aufkommt, wirklich eine eigene Farm zu besitzen. Dazu sind die Möglichkeiten der Zähmung und des Ausbaus der Farm zu gering.

Sterben unmöglich

Insgesamt ist der Schwierigkeitsgrad des Spiels nicht besonders hoch. Durch die Minikarte im Spiel werden dem Spieler gewünschte Ziele und Aufgabengeber markiert, sodass diese schnell gefunden werden können. Die Suche der Feen benötigt teilweise ein wenig Aufwand, ist jedoch beim aufmerksamen Spielen gut zu meistern. Ein wichtiges Merkmal des Schwierigkeitsgrades ist das Fehlen jeglicher Kämpfe im Spiel. Der Spielcharakter ist nicht in der Lage das Zeitliche zu segnen und vereinfacht das Spiel auf diese Weise deutlich. Im Vordergrund stehen das Erkunden und Entdecken der Spielwelt.

Viel Zeit zum Lernen

Die Steuerung des Spiels sollte für erfahrene Spieler kein Problem darstellen. Aber auch Personen, die bisher nicht so oft zum Controller gegriffen haben, werden mit der präzisen Steuerung klarkommen. Auf Grund des Spielprinzips, welches nahezu vollständig ohne klassische Spannungselemente im Spiel auskommt, besteht die Möglichkeit die Steuerung individuell zu erlernen und das Spiel mit seinem eigenen Tempo zu meistern.

Fazit:

Betrachtet man das Spiel hinsichtlich klassischer Beurteilungskriterien, wie etwa dem Grad der Gewalt, erscheint eine USK-Freigabe ab 0 Jahren gerechtfertigt.  Jedoch werden ganz kleine Kinder mit dem Spiel ihre Probleme haben, da das Spiel trotz der fehlenden Gewalt und simplen Struktur eine gewisse Komplexität besitzt, die nicht für Kleinkinder zu empfehlen und umsetzbar ist. „Yonder: The Cloud Catcher Chronicles“ eignet sich daher eher ab einem Alter von etwa 6 Jahren. Kinder in diesem Alter werden vielleicht nicht unbedingt das Ziel haben, dass Spiel durchzuspielen, können aber auf Grund der schönen Optik , dem Bau einer eigenen Farm und das Erforschen der Spielwelt eine Menge Spaß mit dem Spiel haben.

Eine Rezension von Marvin Spirakos // Wintersemester 2017/2018

What remains of Edith Finch

„What remains of Edith Finch“ wurde entwickelt von Giant Sparrow und ist eine der ersten Veröffentlichungen des Spielepublishers Annapurna Interactive. Schon bei der Gründung ließ das Publisher-Team durch blicken, dass sie Großes vorhaben. Der Fokus soll dabei auf persönlichen, emotionalen und originellen Konzepten liegen. Ihre Vision ist es den bisherigen Rahmen des interaktiven Storytellings zu brechen, d.h. Kunst und Gaming einander näher zu bringen und so die bisherigen Grenzen des Mediums zu überschreiten. Große Worte für so einen junge Firma, aber Ist ihnen das mit ihrem ersten Titel gelungen?

Man schlüpft in die Rolle von Edith Finch, einer jungen amerikanischen Frau, die wie sie selbst erwähnt zur unglückseligsten Familie Amerikas gehört. Ein Fluch soll auf ihrer Familie lasten. Und da Edith die einzige Überlebende ist, führt Sie uns Stück für Stück in die Umstände ihrer Familie ein. Zentrum der Erzählung ist das Haus der Finchs, ein abstruses Gebäude, das meterhoch, zusammengestückelt aus allen möglichen und unmöglichen Teilen aus der Umgebung ragt. Die Protagonistin kehrt nach langer Abwesenheit in ihr verlassenes Elternhaus zurück und versucht die Wahrheit über den Fluch ihrer Familie rauszufinden. Seltsame Dinge erzählt sie uns auf dem Weg dahin. Schnell wird klar, dass es bei den Finches tatsächlich nicht mit rechten Dingen zuging – Familienmitglieder verschwanden oder starben, ihre Zimmer wurden einfach verschlossen oder verbaut, von außen nur noch einsehbar durch einen Spion. Solch mysteriöse Umstände schienen zum Alltag von Ediths Kindheit zu gehören.

Neue Wege des interaktiven Storytelling

„What remains of Edith Finch“ reiht sich ein in die Liste der sogenannten „Walkingsimulatoren“. Diese Spielekategorie zeichnet sich durch wenig Interaktion im Game selbst aus, böse Zungen behaupten, dass es eigentlich gar keine Spielmechaniken gibt. Zentrum des Spiels ist die Erfahrung der Welt selbst und dass nicht durch aktives Interagieren mit z.B. Items, sondern eher durch Wahrnehmen der Umgebung und der Narrative. Dementsprechend gibt es wenig oder eigentlich gar keine Funktionen wie ein Inventar. Die Spieler_innen laufen lediglich in Ego-Perspektive durch die Spielewelt, erforschen deren Geschichte und Rahmenbedingungen und lassen sie auf sich wirken. Was für einen Mehrwert es hat so ein Spiel zu spielen, mag sich jetzt manch Einer fragen. Doch der Hersteller und unzählige Preise, die das Spiel 2017 gewonnen hat, beweisen, dass weniger manchmal mehr ist.

Heimat und Fluch

Es gibt nicht viel Einführung in das Spiel, man startet ohne große Titel- oder Ladescreens und landet auf dem Weg zu dem Anwesen der Finches. Ediths Stimme aus dem Off klärt auf, wo man sich befindet. Das bizarre Bauwerk ragt oben auf dem Berg, ein verschlungener Weg zeichnet sich vor einem ab. Der einzige Screen der dauerhaft als Assistenz zur Verfügung steht, ist der Familienstammbaum, der sich immer weiter freischaltet, je mehr man erfährt. Aus einer Mischung aus Tagebucheinträgen und persönlichem Gespräch führt sie einen peu à peu ihrem Elternhaus näher und gibt indirekt Tipps, wie man z.B. durch die verschlossene Eingangstür kommt. Damit ist man beim Herzstück des Spiels angelangt. Detailverliebt aber auch bedrückend breitet sich das Haus und seine außergewöhnliche Atmosphäre vor den Spieler_innen aus. Raum für Raum arbeitet man sich immer weiter in der Familiengeschichte vor. Wirkliche Rätsel gibt es nicht, alle Gegenstände die wichtig für den Spielverlauf sind werden mit einem weißen Buch-Icon unübersehbar hervorgehoben. Jedes Zimmer gehörte einem oder mehreren Familienmitglied/ern. Wenn der ihm zugehörige Gegenstand gefunden wurde, wird in einer kleineren oder größeren interaktiven Szene aufgeklärt, was es mit ihm/ihr auf sich hatte.

Streitgespräche und Badewannenchoreographien

Alle Geschichten besitzen emotionale Tiefe und auch beschäftigen nachhaltig über die kurze Spielzeit von zwei bis vier Stunden hinaus. Eine wird hier näher beleuchtet, die des kleinen Säuglings Gregory. Getriggert wird Gregory Finchs Erzählung von einem Scheidungsvertrag, der auf seinem Babybettchen liegt. Sobald der Vertrag näher betrachtet wird, fällt auf, dass darunter noch ein persönlicher Brief von Gregorys Vater an Gregorys Mutter angeheftet ist. Sofort beginnt die Stimme des Vaters den Brief aus dem Off vorzulesen. Es geht um den kleinen Gregory, was für ein einzigartiges Kind er ist, dass man das Gefühl hatte, dass er Dinge wahrnimmt, die nicht sichtbar sind. Der Brief verschwindet vom Bildschirm und die Spieler_innen befinden sich auf einmal als Säugling mit Froschspielzeug in der Hand in einer Badewanne.

Die Mutter möchte ihm gerade herausholen, als plötzlich noch mal das Telefon klingelt. Trotz ihres Zögerns, läuft sie noch mal schnell aus dem Bad, um den Anruf anzunehmen. Es ist Gregorys Vater und es ist zu hören, dass die Eltern gerade nicht allzu gut aufeinander zu sprechen sind. Gregory beschäftigt sich derweil mit dem Froschspielzeug, das innerhalb der Badewanne intuitiv per Maus gesteuert werden kann. Nicht nur das, die klassische Musik im Hintergrund lässt sich darüber auch dirigieren. Wie von Zauberhand erscheint immer mehr Spielzeug, das immer virtuoser durch die Badewanne gewirbelt werden kann. Gleichzeitig laufen das Streitgespräch und der Brief aus dem Scheidungsvertrag weiter. Einmal hält die Mutter kurz inne und will Gregory aus der Badewanne holen, zieht den Stöpsel, wird aber wieder vom Gespräch ablenkt und lässt ihn wiederum alleine. Weiterhin vertieft in die kunstvolle Spielzeugchoreografie, ist es durch diese möglich den Hahn wieder anzudrehen und das Wasser um ihn steigt und steigt.

Der Bildschirm wird kurz weiß und die Stimme des Vaters ist wieder zu hören. Plötzlich verwandelt sich die Umgebung zu einer zauberhaften mit Algen überwucherten Unterwasserwelt mit den jetzt überlebensgroßen Spielzeugen und Gregory bzw. die Spieler_innen wurden in einen Frosch verwandelt. Artistisch und schwerelos jagt dieser nun zwischen dem Algenwald den Spielzeugen hinterher. Bis ein riesenhaften Stöpsel auftaucht und es nun klar wird, dass die zauberhafte Unterwasserwelt immer noch die Badewanne ist. Der Stöpsel wird gezogen und die Spielzeuge bedeuten einem durch den gigantischen Ausguss zu schwimmen. Der Bildschirm wird wieder weiß, und Vaters Stimme beendet die Erzählung von Gregory mit den Sätzen: “Ich bin mir sicher, dass er glücklich ist und er will, dass du auch glücklich bist.“

Gespielter Säuglingstod und ein Wermutstropfen

Erst ein paar Minuten später wird wirklich klar, dass die vorherige Episode sich mit dem Säuglingstod durch Ertrinken in der eigenen Badewanne spielerisch auseinandersetzt. So absurd das Ganze klingen mag, keinen Moment lang kommt dabei Trauer oder Verstörtheit auf, eher eine tiefe Rührung durch die Poesie der Erzählung und die virtuose Verflechtung der einfachen Spielmechaniken mit dem komplexen Thema. Diese Feinfühligkeit zieht sich das ganze Spielerlebnis. Die Spielerfahrung zieht in seinen Bann und ist die Spielnarrative betreffend ein Meilenstein. Der Publisher hatte also nicht zu viel versprochen, aber einen Wermutstropfen gab es aber trotzdem. Während des Durchspielens gab es zwei Stellen, in denen Bugs es unmöglich machten das Spiel fortzusetzen. Besonders ärgerlich war dabei, dass einer davon das Spielende betraf. Wiederholt musste man neu starten und weniger frustresistente Spieler_innen wären wohl nicht zum großen Finale gekommen. Positiv in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass der Onlinesupport von Steam einwandfrei funktioniert und versucht Abhilfe zu schaffen.

Fazit:

„What remains of Edith Finch“ ist nicht sonderlich herausfordernd auf einer mechanischen Ebene, viele jüngere Kinder und Jugendliche dürften ohne Probleme mit der Steuerung zurechtkommen. Dennoch sind die Thematiken der einzelnen Personen ungeachtet der USK Freigabe ab 12 Jahren nichts für zartbesaitete Seelen. Neben den Horrorelementen, die in einer Episode auftauchen, setzen sich die einzelnen Geschichten mit unterschiedlichsten Problematiken – Kindstod, Mord oder plötzliches Verschwinden von Familienmitgliedern – des Menschseins auseinander und enden meist mit dem Tod der Hauptperson. Dennoch schaffen es die Entwickler sich auf eine Weise damit zu beschäftigen, die weder aufgesetzt noch deprimierend wirkt, vielmehr berührt die Erzählweise tief und überrascht durch die wenigen intuitiven aber auch innovativen Gameplayelemente. Entscheidend ist wie sehr man dazu in der Lage ist, sich auf den die Geschichte(n) der Protagonistin einzulassen. Jugendlichen ab 14 Jahren dürften in der Lage sein mit den vielschichtigen Themenkomplexen adäquat umzugehen und sie auch richtig einzuordnen. Zudem ist die exzellente Audioausgabe nur auf Englisch vorhanden, dementsprechend wären Englischkenntnisse zum vollen Genuss des Spiels ratsam aber nicht notwendig, da Untertitel und ein Menü auf Deutsch mitinbegriffen sind.

Eine Rezension von Sidonie von Ploetz // Wintersemester 2017/2018

Beichtstuhlfragen

Doki Doki Literature Club

Vier süße Anime-Mädchen, mit denen man bei einer Tasse Tee und Törtchen Gedichte liest. Am Ende kann man bestimmt mit einer von ihnen auch noch ausgehen! Was wird in einem Literaturclub groß passieren? Man schreibt Gedichte, beeindruckt die die Clubmitglieder damit, beeinflusst den Geschichtsverlauf ab und zu mit seinen Entscheidungen und hat am Ende das Herz einer der Frauen damit für sich gewonnen. Typisch japanisch eben, aber wem macht so ein Spiel den heutzutage noch Spaß? Naja, Jedem das Seine – würde man denken, wenn da nicht diese Warnhinweise und Genre-Tags mit „Psychological-Horror“ wären…

 

Willkommen im Literaturclub!
Bei Doki Doki Literature Club schlüpft der Spieler zunächst in die Rolle eines japanischen Schülers. Dieser wird von seiner Kindheitsfreundin und Nachbarin „Sayori“ dem Literaturclub vorgestellt und danach irgendwie ungewollt Teil von Diesem. Alles halb so schlimm, denn der Club besteht aus drei weiteren attraktiven weiblichen Charakteren: Der kleinen, fleißigen „Natsuki“; der stillen, schlauen „Yuri“ und der Präsidentin „Monika“. Die Spielmechanik besteht, wie bei vielen japanischen Visual Novels oder Dating Sims, einfach daraus sich durch die Dialoge der Charaktere zu klicken. Manchmal muss der Protagonist Entscheidungen treffen, bei denen er zwischen zwei Möglichkeiten wählen kann. Zudem schreibt der Hauptcharakter in Doki Doki Literature Club jeden Tag selbst ein Gedicht.

Das Gameplay besteht hierbei aber nur aus dem anklicken von Wörtern, von denen der Spieler glaubt sie könnten den Protagonistinnen gefallen. Ein Manko für deutsche Spieler: Das Spiel ist nur auf Englisch verfügbar. Dementsprechend sind gute Englischkenntnisse Grundvoraussetzung, um irgendetwas aus dem Spiel mitnehmen zu können.

All diese Warnhinweise..
..sind berechtigt. Schon zu Anfang weist das Spiel ausdrücklich darauf hin, dass es für Leute, die mit Themen wie Depressionen, Selbstmord oder Ähnlichem nicht umgehen können, nicht geeignet ist. Zu Anfang muss bestätigt werden, dass man mindestens 13 Jahre alt ist, um es spielen zu können. Der Spieler erfährt nicht nur von den Depressionen einer Hauptfigur, sondern muss auch zusehen, wie sie sich selbst aufhängt oder wie eine weitere Spielfigur sich selbst ersticht. Die Altersgrenze von 13 Jahren ist bei den gebotenen Schockmomenten und expliziten Gewaltdarstellungen also äußerst fragwürdig. Wie man sich mit den Inhalten der Dialoge auseinandersetzt, ist zwar von der geistigen Reife abhängig, aber für einen angemessenen Umgang mit den Themen und einem besseren Verständnis der Ereignisse ist das Spiel wohl eher für Spieler ab 16 Jahren geeignet.

Alles nur für den Schockeffekt?
Doki Doki Literature Club genießt sicherlich so viel Aufmerksamkeit, gerade weil es schockierend ist, dass so ein süßes Spiel sehr verstörende Elemente versteckt. Das Spiel übertraf in den ersten 2 Monaten die 1 Mio. Download-Marke. Mittlerweile zählt es über 2 Mio. Downloads und auf Steam genießt es ebenfalls eine „äußerst positive“ Bewertung. Dies heißt jedoch nicht, dass es vollkommen inhaltslos bleibt. Die Themen von Depression und Suizid werden nicht nur für den Schock ausgenutzt, sondern im Spiel näher beleuchtet und ausdiskutiert. Der Spieler ist dazu angehalten sich in die Lage der emotional instabilen Charaktere hineinzuversetzen. Hinzu kommt, dass das Spiel es schafft die vierte Wand sehr beeindruckend zu durchbrechen – das heißt die Charaktere wissen, dass sie nur in einem Spiel sind. Das Faszinierendste an dem Spiel ist wohl, dass der Spieler dazu angehalten ist, sich mit den Dateien im Spielordner selbst zu beschäftigen. Es gibt sowohl Hinweise zu den Charakteren, etwas verstörende Bilder, als auch versteckte Hinweise und Notizen, zu denen es bereits sowohl auf YouTube, als auch in weiteren Foren verschiedenste Theorien gibt. Es werden täglich unterschiedliche Videos mit neuen Theorien oder Reaktionen zu dem Spiel veröffentlicht. Eine der Schlüsselfiguren, Monika, hat gar einen offiziellen Twitteraccount, der nachträglich Hinweise oder Spielreferenzen bietet. Höchstwahrscheinlich ist Doki Doki Literature Club nur der Auftakt zu einem weiterem, viel größerem Spiel des Publishers „Team Salvato“. Durch den direkten Eingriff in die Dateien bekommt das Spiel einen realen Kontext und regt den Spieler zum Recherchieren, Diskutieren und Nachdenken an.

Fazit:
Doki Doki Literature Club ist mit sehr viel Vorsicht zu genießen. Erstens, muss der Spieler sehr viel Englisch lesen, um den Kontext der später verstörenden Elemente zu verstehen. Zweitens, ist der Unterhaltungswert nur geboten, wenn der Spieler sich ein wenig mit Visual Novels auskennt oder zumindest ein grobes Verständnis von Spielen im Allgemeinen hat. Und drittens ist der Umgang mit sensiblen Themen nicht für jeden einfach zu verdauen und wird hier absichtlich nicht beschönigt. Die explizite Gewaltdarstellung, Jumpscares und die Themen, auch wenn sie im Animestil dargestellt sind, sollten nicht unbedingt ohne Aufsicht in Hände von Kindern / Jugendlichen unter 16 Jahren fallen. Dies gilt hier besonders in der Hinsicht, dass das Spiel kostenlos auf Steam verfügbar ist.

Eine Rezension von Anastasia Kudinov // Wintersemester 2017/2018

Ein zweiter, genauerer Blick