Wir schreiben das Jahr 2038: Roboter, genauer Androiden dienen den Menschen als Altenpfleger, Gärtner, Polizisten und sogar als Prostituierte. Die Folgen sind Arbeitslosigkeit und eine immer stärker werdende Wut auf den technologischen Fortschritt. Die Situation droht zu eskalieren, da sich ein Systemfehler in die Programmierung der Androiden eingeschlichen hat. Einige von ihnen fangen an nicht mehr ihren Besitzern gehorchen, sondern selbstständig zu denken, zu handeln und Emotionen zu fühlen. Dies geht so weit, dass Androiden in diesem Zustand unberechenbar sein können.
Das Spiel konzentriert sich auf die Perspektiven von drei verschiedenen Androiden: Einer dieser Androiden ist Connor. Er ermittelt im Namen des Detroit City Police Departments gegen straffällig gewordenen Abweichler. Im Laufe seiner Ermittlungen steht Connor immer mehr im Konflikt, entweder möglichst objektiv und knallhart seine Mission zu erfüllen, oder Emotionen und Gefühle wie Mitleid, Hilfsbereitschaft oder Gnade zu zeigen, was zunehmend seine Wahrnehmung und Perspektive verändert. Verstärkt wird dieser Konflikt durch die Tatsache, dass er für die Fälle einen psychisch labilen Partner zugewiesen bekommt.
Der zweite Charakter ist Kara, welche als Hausfrau und Babysitterin die typischen Haushaltsaufgaben ihres Besitzers erledigt und sich um seine Tochter Alice kümmert. Nach einem Wutausbruch ihres Besitzers, in dessen Rahmen er sogar seine Tochter misshandeln möchte, ist Kara gezwungen, eine Abweichlerin zu werden, um Alice zu retten. Zusammen fliehen sie vor Karas Besitzer.
Der dritte Charakter ist Markus: Markus ist als Altenpfleger und Diener für einen reichen, alten Künstler programmiert worden. Bei einem Einbruch und einer Konfrontation mit dem Einbrecher wird Markus zum Abweichler und, nach einer körperlichen Auseinandersetzung, in einer Kurzschlussreaktion von der Polizei erschossen. Markus überlebt die Schüsse und erwacht später auf einem Schrottplatz, alleine ohne Obdach und Besitzer. Er stößt auf eine Untergrund-Organisation von Abweichlern, die das Zeil verfolgen, dass Androiden die gleichen Rechte erhalten wie Menschen und als eigene Lebewesen anerkannt werden, ohne versklavt oder misshandelt zu werden. Zusammen planen sie Aktionen, um die Menschen immer mehr auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen, wobei das öffentliche Meinungsbild je nach Auftritt und Aktion schwanken kann. Markus muss sich überlegen, ob die Androiden sich im Rahmen ihrer Aktionen und Auftritte friedvoll oder gewaltsam verhalten sollen und wie sich das auf die Zukunft der Androiden auswirken könnte.
Die Charaktere haben alle drei unterschiedliche Androiden-Funktionen, wodurch sich auch das Gameplay dieser Charaktere unterscheidet. In einem Kapitel ermittelt man einen Mordfall, im nächsten Kapitel liefert man sich eine Verfolgungsjagd mit Wachpersonal und im übernächsten muss man sich überlegen, welche Entscheidung moralisch richtig und diplomatisch passend ist. Alle drei Charaktere bringen dem Spiel je unterschiedliche Elemente und Spielweisen.
Ob die drei Charaktere ihre jeweiligen Ziele erreichen und wie sie sich im Rahmen ihrer Konflikte entscheiden werden, liegt in der Hand des Spielers. Denn Detroit: Become Human, welches von Quantic Dream programmiert wurde und im Mai 2018 als PlayStation 4 Exklusivspiel erschienen ist, ist ein interaktives Spiel. Ähnlich wie die Vorgänger Heavy Rain und Beyond two Souls spielt es sich wie eine Mischung aus spielbarem Film und Quick Time Events. Gewisse Entscheidungen im Spiel wirken sich auf die Handlung aus und können diese in eine ganz andere Richtung lenken.
Wenn z. B. einer der Charaktere stirbt, bedeutet es noch lange nicht, dass das Spiel zu Ende ist. Stattdessen wirkt sich dieser Tod auf die Gesamtgeschichte aus und das Spiel passt sich dementsprechend an. Spiele wie z. B. Telltales The Walking Dead oder auch Beyond two Souls, werden oft dafür kritisiert, dass diese versprochene Entscheidungsfreiheit nur eine Illusion sei und dass alle Entscheidungen im Grunde immer für dasselbe Resultat sorgen. In Detroit: Become Human ist die Entscheidungsfreiheit viel mehr als nur eine Illusion:
Am Ende jedes Kapitels erhält der Spieler eine Übersicht darüber, welche Entscheidung er getroffen hat und wie sie ihm zur nächsten Entscheidung geführt haben. Das Ganze erinnert an einen riesigen Zeitstrahl, der ganz in ganz viele unterschiedliche Richtungen gehen kann, abhängig davon, wie das Spiel gespielt wird und welche Entscheidungen man trifft. In diesem Aspekt ist es auch ein optionales Ziel des Spiels, dass der Spieler sämtliche Entscheidungen und deren Auswirkungen entdeckt und den Zeitstrahl, pro Kapitel, auf je 100% bringt. Dementsprechend gibt es in Detroit: Become Human nur sehr wenige Kapitel, in denen die Entscheidungen nicht für den weiteren Verlauf relevant sind und die nur ein einziges festes Ende haben. Aber nicht nur in den Kapiteln an sich gibt es viele Freiheiten: Gerade zum Ende des Spiels hin, kann man, je nachdem welche Entscheidungen man getroffen, pro Charakter an bis zu vier unterschiedlichen Schauplätzen landen. Man kann hier also mehrere Spieldurchläufe starten, die sich je komplett anders spielen lassen.
Obwohl die Handlung Potenzial hat, bricht sie an manchen Stellen in der Story leicht in sich zusammen. Das Verhalten oder die Intentionen gewisser Charaktere, die schon früh in der Handlung deutlich werden, ändern sich plötzlich unverständlicherweise. Die Charaktere springen vom Verhalten hin und her, nur damit es in die veränderte Handlung passt. Ein Charakter offenbart z. B. erst ganz zum Schluss, wenn man bestimmte Entscheidungen getroffen hat, seine Intentionen im Spiel. Wenn man allerdings andere Entscheidungen wählt, sind diese Intentionen des Charakters plötzlich nicht mehr vorhanden und der Charakter hat ein ganz anderes Verhalten. Auch in der Handlung passieren oft sehr unlogische und schlecht durchdachte Aktionen, die augenscheinlich vermutlich nur so passieren, damit die Geschichte so weitergeht, wie die Autoren es wollen. Dies ist allerdings nur an wenigen Stellen störend und aufgrund der vielen, unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten im Spiel noch durchaus verschmerzbar.
Die Charaktere und auch die Spiel-Welt schaffen eine gelungene Mischung Virtualität und Realität. Besonders die Gesichtsanimationen sind dabei hervorzuheben und lassen die Emotionen der Charaktere, die durch Motion Capturing von Schauspielern aufgenommen wurden, sehr realistisch und detailreich wirken. Detailreich ist auch die Gestaltung der Welt im Videospiel: Sehr oft entdeckt man Anspielungen an die vorherigen Quantic Dream Spiele und außerdem wurden auch Umgebungen oder Charaktere sehr liebevoll gestaltet, die in der eigentlichen Geschichte keine Rolle spielen und die man vielleicht mal in der Ferne sieht oder an einem vorbeilaufen. Gerade in den offeneren Kapiteln lassen sich sehr viele Details und kleine Entscheidungen finden, dass sich das eigenständige Erforschen der Spielewelt auf jeden Fall lohnt. Aber auch in den kleineren Kapiteln kann man sehr viele coole Kleinigkeiten entdecken, wenn man sich genau umsieht.
Auch beim Soundtrack haben die Entwickler sehr viel Wert auf Details gelegt: Alle drei Charaktere haben je unterschiedliche Komponisten für ihre Soundtracks bekommen, damit sich diese von der Stimmung her komplett unterscheiden. Generell schaffen es alle drei Komponisten mit ihren Soundtracks, den Spieler in die richtige Stimmung zu versetzen und mitzufühlen.
Vom Schwierigkeitsgrad her hat der Spieler die Wahl zwischen zwei Optionen. Wobei allerdings beide Schwierigkeitsgrade nicht allzu schwer sind und auch unerfahrene Spieler sehr schnell die Quick Time Events auf beiden Schwierigkeitsgraden meistern werden. Im Vergleich zu Heavy Rain oder Beyond two Souls wirken diese auf jeden Fall anspruchsloser. Vor allem erfahrene Spieler werden in diesem Aspekt keine wirkliche Herausforderung erleben.
Das Spiel liefert eine ganz prägnante, deutliche und fast schon pädagogische Botschaft: Sämtliche Lebewesen auf unserem Planeten haben das Recht, anständig und mit Würde behandelt zu werden.. Es ist die menschliche Angst vor dem Unbekannten und die Pauschalisierung von ‚Fremden‘, die dieses Spiel in seiner Art möglich machen. Dies sorgt auch dafür, dass man historische Elemente im Spiel wiederfindet, die in ihrer Umsetzung an reale Ereignisse erinnern. Die Kapitel von Markus, wo es verstärkt darum geht, für die Rechte der Androiden einzustehen und wo wir den Alltag eines normalen Androiden als Diener sehen, in der sie z. B. eigene Abteile im Bus haben, erinnern stark an die Bürgerrechtsbewegung und an ein durch Rosa Parks auch in Deutschland bekannt gewordenes Amerika der sechziger Jahre.
Karas Kapitel, in denen es vermehrt um die Geheimhaltung ihrer Identität geht, kombiniert mit der Suche nach einem Ort, an dem man sicher ist, erinnern an die Judenverfolgung in Deutschland. Dies geht sogar so weit, dass man in einem optionalen Kapitel in einem schwer-bewachten Lager gefangen ist, in dem die Androiden reihenweise zusammen in Kammern geschickt werden, wo sie endgültig deaktiviert werden bzw. sterben und dann deren Leichen auf LKWs wegtransportiert werden. Teilweise versuchen die Entwickler so stark, Anspielungen die an echte historische Ereignisse zu liefern, dass es manchmal in der Handlung sehr klischeehaft und sogar lächerlich wirkt. Generell stellt man sich bei Momenten, wie z. B. der Konzentrationslager-Anspielung oft die Frage, ob weniger nicht manchmal doch mehr ist.
Nichtsdestotrotz schafft das Spiel eine fiktionale Geschichte mit historischen Anspielungen zu liefern, die vielleicht gerade jüngeren Spielern geschichtliche Verhältnisse auf eine neue Art und Weise vermitteln kann. Die Entscheidungswahl und die direkten Konsequenzen helfen den Spielern womöglich auch dabei sich mehr Gedanken über die Spiel- und Vorgehensweise in virtuellen sowie realen Welten zu machen und dass nicht immer der erste Gedanke automatisch der Richtige ist.
FAZIT:
Diese großen Mengen an Freiheit, zusammen mit sehr vielen kleinen Details bei der Umsetzung und einer sehr bewegenden Handlung, machen Detroit: Become Human zu einem interaktiven Spiel, wie man es kaum kennt. Spieler, die keine Probleme haben, auf das klassische Actionspiel- Schema zu verzichten oder generell Fans von interaktiven Spielen sind, werden an Detroit: Become Human bestimmt ihren Spaß haben. Auch wenn man vielleicht kein Fan der Charaktere oder der Handlung ist, so bietet das Spiel trotzdem ein so hohes Maß an Interaktivität, dass man alleine seinen Spaß daran haben kann, durch ein paar alternative Entscheidungen, die Charaktere direkt in ihr Unglück zu werfen. Spieler, die vielleicht kein Fan vom Konzept der interaktiven Spiele sind, können an diesem Spiel zumindest lernen, wie viele Freiheiten ein Videospiel einem potenziell liefern kann. Detroit: Become Human hält das, was es verspricht und was viele andere Spiele seiner Art nicht schaffen: Ein großes interaktives Erlebnis, das von der Handlung her manchmal zwar schwächelt und vorhersehbar ist, aber im Großen und Ganzen ein wichtiges Thema erzählt, das auf originelle und kreative Weise verpackt und umgesetzt wurde.
Eine Rezension von Dustin Heye // Sommersemester 2018